Das Steuergerät TS 45 kann man als logische Weiterentwicklung des Schneewittchensargs SK 4 von 1956 sehen. Der Aufbau der L – förmigen Bedienknöpfe (hier allerdings gespiegelt) um eine sehr klar gehaltene Doppel-Skala verfügt zwar über weitaus mehr Funktionen, ist aber von vergleichbarer Strenge und Übersichtlichkeit. Auch das Element der gereihten Schlitze taucht nach wie vor auf. Jedoch handelt es sich nun nicht mehr um ein Röhren, sondern um ein modernes Transistorgerät, was eine sehr viel flachere Bauhöhe erlaubt. Ähnliche Funktionen wurden als gleichartige Elemente gestaltet. Die Druckschalter erhielten eine konkave Oberfläche, um bei einem relativ langen Hubweg, wie sie die damalige Schaltertechnik noch erforderte, ein Abgleiten des Fingers zu verhindern. Alle Pegelfunktionen wurden durch konische Drehknöpfe – große für die Wellenbereiche, kleine für Lautstärke, Klangfarbe und Balance – hergestellt. Ein zentraler Drehschalter in Form eines Knebels nahm mit seiner fast organischen Form eine Sonderstellung ein. Auch hier mag man ein kontrapunktisches Element zur Gesamtform sehen, das ähnlich wie der bei vielen Geräten verwendete rote, gelbe oder grüne Punkt des Leitschalters fungiert. Das Gesamtlayout der bewusst sichtbar angeschraubten, lackierten Geräteoberfläche aus Aluminium ist klar und übersichtlich und eher mit der Schweizer Typographie der Zeit als mit anderen deutschen Radiogeräten verwandt.
Braun Phono-Transistor TP 1
Mobiles Hören von Musikkonserven ist heute eine Selbstverständlichkeit. Ob in der Metro, in der Bahn oder beim Gang durch die Stadt: Viele Zeitgenossen haben Stöpsel im Ohr und einen mp3 Player in der Jackentasche. Vorbild für die heutigen Micro-Stereoanlagen war aber nicht erst der Walkman von Sony aus dem Jahr 1979, sondern ein Systemgerät, das Dieter Rams bereits 20 Jahre zuvor für Braun entworfen hatte. Er kombinierte das neu entwickelte Taschenradio T 4 mit einem Miniaturplattenspieler, der sich wie später die Sojus-Raumkapsel an die Saljut- Raumstation andockt. Dabei wird der Tonarm mit einem Federzug von unten an die Schallplatte gedrückt und verschwindet im Ruhezustand hinter einem beweglichen Vorhang. Gestalterisch definiert sich das Gerät ausschließlich aus Rechtecken, Kreisen und Kreissektoren, die eine ebenso spannungsreiche wie harmonische Komposition ergeben. Der hellgraue Kunststoff, der metallische Plattenteller mit einem dunkelgrauen Gummiring sowie beim Radiogerät T 41 die kontrapunktische rote Skalenlinie besitzen eine hohe bildliche Qualität und die Anmutung einer exakten Materialkollage.
Braun Tonbandgerät TG 60
Zu Beginn der 60er Jahre wurden Tonbandgeräte populär, wobei für den Amateur nur recht einfache Gerätequalitäten zur Verfügung standen. Für die Firma Braun ergab sich so eine neue technische Herausforderung, wollte sie den wachsenden Markt mit einer semiprofessionellen Bandmaschine bedienen. Das Tonband TG 60 zeigt dabei die vielleicht am meisten technische Anmutung von allen Braun-Geräten dieser Zeit. Der offene Tonkopfbereich mit freiliegendem Andruckarm, die gleich dreifach vorhandenen Schaltknebel und das dominante Instrument zur Aussteuerung des Eingangssignals tragen zu diesem Techno-Design bei.
Braun Weltempfänger T 1000
Zu Beginn der 60er Jahre löste sich die Bundesrepublik Deutschland langsam aus der Isolation, in die sie durch den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg geraten war. Amerika war jetzt nicht mehr nur noch Vorbild, sondern auch Exportland, vornehmlich natürlich für deutsche Autos der Marken Mercedes, Volkswagen oder Porsche. Zwei Jahrzehnte nach dem Kriegsende arbeiteten aber auch wieder internationale Fotografen für ein deutsches Magazin (die Zeitschriften), Deutschland und Frankreich unterzeichneten 1963 einen Freundschaftsvertrag, die Kunstausstellung ‚documenta’ in Kassel wurde zu einem weltweit beachteten Ereignis und 1958 wurden große Teile des Braun-Produktprogramms in die Design Collection des Museum of Modern Art in New York aufgenommen. Deutschland wurde wieder internationaler.
In diese Zeit passte ein neuartiges Radio, das gleichzeitig zu einer paradigmatischen Arbeit des Designers Dieter Rams wurde. Es spiegelt gleichsam Weltoffenheit und Mobilität, zwei Eigenschaften, die heute von noch weitaus größerer Bedeutung sind. Aus einem rein quaderförmigen, allseits geschlossenen Gehäusekorpus eröffnet sich durch Aufklappung ein durch seine Vielfalt mit dem Äußeren kontrastierendes, komplexes Bedienfeld aus Sendeskala, Einstellknöpfen und Anschlussbuchsen. Man erahnt quasi schon die große weite Welt der UKW-, Langwellen-, Mittelwellen- und der acht Kurzwellenempfangsbereiche, die sich hier eröffnet. Mit größtem technischem Entwicklungsaufwand betrieben, stellte das Gerät einen Höhepunkt deutscher Ingenieurleistung mit einer optimalen Empfangsqualität auch noch der entferntesten Sender dar. Das Design von Dieter Rams ist auch hier zunächst wieder in jeder Hinsicht funktions- bezogen angelegt: der UKW-Bereich wird in der Drucktaste, im Drehknopf und in der Skalenbeschriftung einheitlich rot dargestellt, alle Bedienknöpfe sind logisch und übersichtlich geordnet und haben ein auf die menschliche Hand bezogenes Maß. Der seitliche Bandbreitenumschalter hat eine voluminöse Haptik, die umfangreiche Bedienungsanleitung hat ein eigenes Fach in der Gehäuseklappe und ist so stets präsent und die große, detaillierte Skala signalisiert nicht nur Präzision, sondern sie ist mit ihrer hauchfeinen Typographie und ihrer übersichtlichen Bezifferung ein Musterbeispiel exakter Gestaltung.
Bei aller technischen Funktionalität gelingt Dieter Rams aber auch wieder ein Höchstmaß an Eleganz und Bildlichkeit. In geschlossenem Zustand nimmt dieser Weltempfänger die zeitgenössische Ästhetik von Produkten etwa der Firma Apple um 40 Jahre voraus. In einem heutigen Showroom von Gravis würde das Gerät wohl nur durch das abweichende Firmenlogo auffallen, was natürlich nichts anderes heißt, als dass die Apple-Designer um Jonathan Ive, die Ästhetik des T 1000 als die ihrige empfinden und in ihren eigenen Arbeiten rezipieren.
Braun Elektrostatlautsprecher LE 1
Ein dritter Lautsprecher war das Re-Design des vom englischen Hersteller QUAD in Lizenz von Braun übernommenen elektrostatischen Breitband-Lautsprechers LE 1, ebenfalls 1959. Hier wird der flache Quader auf staffeleiartige Stützen gestellt und schräg nach oben geneigt. Die große Frontfläche aus anthrazitfarbigem Lochblech ist schräg nach oben geneigt und in sich leicht gewölbt. Auch hier findet sich wieder das Spiel aus hell und dunkel, aus Last und filigraner Statik. Wie ein Bild auf der Staffelei neigt sich die Lautsprecherfläche dem Betrachter entgegen.
Braun Lautsprecher L 40
Mit dem Modell L 40 von 1961 war dieser Typus definiert. Ein länglicher Quader in Weiß, Graphit oder Nussbaum wurde auf der Vorderseite bündig mit einem leicht angewalzten Aluminiumgeflecht versehen. Dieser wahlweise turmförmig oder liegend zu positionierende Lautsprecher ist in seiner Konsequenz und Minimalität nicht mehr zu verbessern. Fast alle späteren Lautsprecher lassen sich auf diese Grundform zurückführen. In den großen HiFi Lautsprechern seit dem Modell L 710 von 1969 wurden lediglich die Seitenkanten mit einem engen Radius versehen oder schließlich bei den Atelier-Lautsprechern von Dieter Rams und Peter Hartwein an die 45 Grad Winkel der Anlage angepasst. Nach der Acrylglasabdeckung für die SK 4 gelang es dem Gestalter hier zum zweiten Mal einen allgemeingültigen Typus zu definieren.
Braun Lautsprecher L 2
Der große Standlautsprecher L 2 von 1958, stellt den rechtwinkligen, eckigen Korpus auf eine Doppel-Kufe aus gebogenem Stahlrohr. Das Layout der Vorderseite ist die ins Bild gesetzte Funktion und gleichzeitig wird eine hellgraue Fläche mit einem schwarzen Balken und einem schwarzen Kreis kombiniert. Die hellgraue Fläche ist geschlossen, die schwarze besteht aus Lochblech mit den dahinter liegenden (schwarzen) Lautsprechern. Die Seitenflächen bestehen aus Wallnuss-Furnier. Eine überzeugende Komposition aus verschiedenen Materialien und Farben stellt sich dem Betrachter dar: grau und schwarz kontrastieren in ihren Hell-Dunkel-Werten und in ihrer komplementären Geometrie miteinander, ebenso wie die weiten Radien der Stahlrohrkufen mit dem 90 Grad Winkel des Gehäuses oder der glänzende kalte Chrom mit dem matt-warmen Holz.
Braun Zusatzlautsprecher L 01
Einen ganz anderen Ansatz zeigt der Lautsprecher L 01 von 1959, der auch als Hochtöner mit dem L 2 kombiniert wurde. Ein rechteckiger, hellgrauer Quader mit schwarzer Lochblechblende an der Frontseite ist linienparallel oben an einem senkrechten Rohr aufgehängt. Hier entsteht eine ganz andere Figur mit einer visuell labilen Charakteristik aber elementaren, asymmetrischen Geometrien aus Rechteck und Linie. Es erinnert an die Fragilität der Mobiles von Alexander Calder und korrespondiert mit der Röhren – Stehlampe von Eileen Gray von 1927. Bei alledem ist es ein völlig eigenständiger Entwurf und eine originäre Lösung. Der Lautsprecherkörper sollte zum Paradigma für die seit 1961 entstehenden Lautsprecherboxen von Dieter Rams werden, dann für die gesamte Braunproduktion und schließlich auch für alle Fremdhersteller.
Braun Kompaktgerät mit Plattenspieler audio 2
Mit diesem Steuergerät (Radioempfänger und Verstärker) plus Plattenspieler hat Dieter Rams High-Tech auch visuell erlebbar gemacht. Die von oben zu bedienenden Radio- und Phonogeräte hatten endgültig nichts mehr mit dem Dampfradio oder dem durchaus schon modernen Volksempfänger gemein, sondern erinnerten eher an das Tonstudio auf der anderen Seite des Mediums. Dennoch waren sie alles andere als nur technoid, sondern haben Radiosendungen und dem Hören von Musik ein gültiges Wohnzimmergesicht gegeben. Der Plattenteller wird den immer populäreren Langspielplatten gerecht und der Schaltknebel für die Funktionswahl sowie der grüne Druckknopf zum Einschalten sollten auch in der Folge und bei anderen Geräten zu festen Bestandteilen des Braun-Vokabulars werden. Aluminium, Kunststoffknöpfe und Acrylglas waren alles andere als edle Materialien und doch oder gerade deswegen gelang es Dieter Rams, daraus ein äußerst wertig erscheinendes und gleichzeitig zeitgenössisches Produkt zu gestalten. Es war kein futuristisches Raumschiff wie die Anlage ‘studio 1’ von Gugelot und Lindinger, sondern der Ausdruck einer neuen Zeit und der gelungene Versuch, Materialien optimal zu nutzen. Gegen den Ulmer Vorgänger wirkt hier alles leicht und hell. Die Aluminiumplatte wurde lackiert und damit seidenmatt, die Kunststoffteile waren präzise, dem Tonarm mit seinem runden Gegengewicht traute man Höchstleistungen zu und das spiegelnde Acrylglas sorgte für eine gewisse Festlichkeit.