Aus Erfahrung gut!

„Vertrauen“ umschreibt die feste Überzeugung, sich auf eine Person oder Sache verlassen zu können. Für das Funktionieren unseres sozialen Miteinanders stellt Vertrauen eine Grundvoraussetzung dar.

Vertrauen erlangen wir durch eigene Erfahrungen. Wer sich mehrfach von der Zuverlässigkeit eines Produkts überzeugt hat, vertraut ihm und kauft es erneut. Dieser persönliche Vertrauensaufbau erfordert Zeit und Geduld, die der Käufer meist nicht hat. Bei schnellen Kaufentscheidungen vertrauen wir daher Produkten, die durch jahrelange Marktpräsenz Solidität signalisieren oder von etablierten Autoritätsinstanzen positiv bewertet wurden. Markenprodukte genießen generell großes Vertrauen und haften allein durch ihren „guten Namen“. Anderen Produkten schenken wir Vertrauen aufgrund aufgedruckter Prüf- oder Qualitätssiegel.

Starke Marke! – denn da weiß man, was man hat!

Markenartikel sind Energiesparer: Sie entlasten unser Gehirn beim Gang durch den Supermarkt! Beim langwierigen gegeneinander Abwägen der offerierten Produkte verbraucht das Gehirn viel Energie – eigentlich eine Verschwendung angesichts der nicht lebenswichtigen Entscheidung, welches der in ihrem Nutzwert identischen Produkte für uns das Beste wäre. Der schnelle Griff nach vertrauten und soliden Markenprodukten verkürzt das Auswahlverfahren erheblich und spart „Denkenergie“ für wahrhaft wichtige Entscheidungen.

Markenprodukte haften allein durch ihren „guten Namen“. Wir schenken ihnen blindes Vertrauen und greifen nach ihnen ohne langes Nachdenken. Der von Mobilität, Hektik und schnellem Wandel geprägten Gesellschaft offerieren sie wohltuende, unser Sicherheitsbedürfnis bedienende Konstanten. Als risikolose „Konsumlebensversicherung“ bewahren Markenprodukte uns gleich vor mehreren „Gefahren“: durch schlechte Qualität die eigene Gesundheit zu gefährden; Enttäuschung zu empfinden angesichts minderer Qualität oder schlechtem Preisleistungsverhältnis; oder sozial im Abseits zu stehen, weil man beispielsweise die falschen Turnschuhe trägt.

Visualisierte Reinigungskraft – von sanften Spülmitteln und aggressiven Fettlösern

Vorgestellt seien zwei fiktive Produkte: Das hautfreundliche, besonders sensitive Spülmittel „Cratzi“ und der schonende, ökologisch abbaubare Küchenreiniger „Oxytrem“, beide verpackt in neongelber Flasche mit pinkfarbener oder grellgrüner Schrift. Kein auf „sanfte Reinigungskraft“ Wert legender Kunde würde nach diesen Produkten greifen, denn ihr „Äußeres“ – inklusive des Produktnamens – widerspricht den etablierten Zeichen für „Sanftheit“, die wir als Verbraucher über Jahre gelernt haben.

Wer die Supermarktregale hinsichtlich der Gestaltung von Haushaltsreinigern oder Spülmitteln analysiert, erkennt das Gestaltungsprinzip schnell: Das sensitive und vielleicht auch parfümfreie Spülmittel ist durchsichtig und in einer ebensolchen Flasche verpackt, oder es schimmert seidigweiß und lässt die Geschmeidigkeit von Körperlotion assoziieren; als maximalen Farbreiz weist es eine zarte Pastelltönung auf. Sanfte Farben suggerieren sanften Inhalt und die Durchsichtigkeit eine „Reinheit“, die vermeintlich auf jegliche Zusatzstoffe verzichtet.

Ganz anderen Prinzipien folgt die Farbgestaltung von Haushaltsreinigern mit besonders starker Reinigungskraft. Hier kommen bevorzugt schrille, „starke“, kontrastierende Farben zum Einsatz wie Neonpink, Lila oder Neongrün. Ein solch schrilles, farblich aggressiv auftretendes Verpackungsdesign lässt – ergänzt durch „knallende“ Namen wie beispielsweise „Bang“ und einer zackig-dynamischen Schrifttype – die hohe, durchschlagende Reinigungskraft bereits vor dem ersten Gebrauch assoziieren.

Verpackungsdesign fungiert demzufolge immer auch als „Zeichen“, anhand dessen der Kunde die Eigenschaften des Inhaltes „ablesen“ kann, gemäß des Mottos: Was starkfarbig aussieht, ist auch stark in der Leistung. Auf dieses Prinzip vertrauend, würde jeder von uns in Ländern, in denen wir aufgrund der fremden Schrift selbst zu Analphabeten werden – also etwa in Japan oder Russland – nach einem sanften oder starken Reinigungsmittel suchen – in der Hoffnung, dass in diesen Ländern dieselben Farbcodes gelten wie bei uns.

Freude und Enttäuschung

Freude gehört zu den positiven, fundamentalen Emotionen und lässt sich mit „hochgestimmter Gemütszustand“ umschreiben. Dem Emotionspsychologen Caroll E. Izard zufolge besitzt „Freude“ unter anderem die Funktion, das Leben erträglicher zu machen. Das Erleben von Freude und positiven Emotionen ist lebensnotwendig für uns. Sie sorgen für die Wiederherstellung eines ausgeglichenen inneren Milieus, das negative Emotionen aus dem Gleichgewicht bringen können. Freude lässt sich allerdings nicht bewusst hervorrufen. Sie ist ein „Nebenprodukt“ von Ereignissen und Gegebenheiten und nicht das Resultat einer gezielten Anstrengung, Freude zu erlangen. Ein Freude-Erlebnis entsteht immer dann, wenn wir etwas haben wollen und dieses schließlich bekommen. Das kann der „reale“ Besitz einer Sache sein, aber auch die Erfüllung abstrakter Wünsche bedeuten, denn manch einer wünscht sich, dass ein Gegenstand leicht zu bedienen ist und man sich auf seine Funktion verlassen kann. Generell gilt: immer wenn Produkte die individuellen, persönlichen Ziele und Belange eines Menschen erfüllen, entsteht „Freude“ und Zufriedenheit – und Enttäuschung, wenn diese Ziele und Wünsche nicht erfüllt werden.

Kaffeepadmaschine

„Schon als ich die Maschine zum ersten Mal sah, wollte ich sie sofort haben. Ihre Form erinnert mich an ein schickes Notebook, gleichzeitig an die reduzierte Linie einer Kinderzeichnung oder an ein Puzzle, das ein befriedigendes Gefühl auslöst, weil zwei Teile so optimal ineinanderpassen. Die durchdachte Einfachheit, die kompakte Form und die absolute Funktionalität begeistern mich: Die kleine Box produziert genau die eine Tasse Kaffee, die ich haben will – und sonst nichts.“

“Kaffeepad Testdrive von Cafésito aus Kißlegg in einer WMF 1.” by hoomygumb is licensed under CC BY-NC-SA 2.0

Freude und Enttäuschung sind beides sehr subjektive Empfindungen. Sie resultieren aus einer sehr persönlichen Beziehung zwischen Mensch und Objekt und lassen sich nicht verallgemeinern. Ausschließlich der Besitzer kann erläutern, warum ihm gerade dieses oder jenes Produkt „Freude“ oder „Enttäuschung“ bereitet. Im folgenden schildern gleich mehrere Personen ihr „Freud und Leid“ mit Objekten aller Art.

„Das find’ ich gut!“ – Dinge, die Freude bereiten

Konsumenten stellen ganz unterschiedliche Ansprüche an Produkte. Untersuchungen zufolge stehen in der Hierarchie des Konsumentenbedarfs „Freude“ oder „Vergnügen“ im Umgang mit Produkten an erster Stelle, gefolgt von der Benutzerfreundlichkeit und Funktionalität. Objekte bereiten uns während des Gebrauchs Freude oder allein schon durch ihren Anblick. Daneben kann uns auch der ideelle Wert, welchen das Objekt repräsentiert – beispielsweise seine umweltschonende Herstellung oder Recyclingfähigkeit –, Freude bereiten.

4x Freude am Produkt

Der Autor des Buches „Designing pleasureable products“, Patrick W. Jordan, unterscheidet vier Arten von produktbezogener „Freude“ (product pleasure):
„Psycho-pleasure“ Diese Art der Freude ist eng mit der Bedienbarkeit und Nutzbarkeit des Produktes gekoppelt. Beispielsweise empfinden wir Freude über das gute Gelingen einer Aufgabe mithilfe eines Produktes, wenn Objekte die Anforderungen in einer bestimmten Situation erfüllen oder wir uns auf sie verlassen können.
„Socio-pleasure“ Freude lösen Produkte aus, die unseren Wunsch nach sozialer Anerkennung und Integration zufrieden stellen. Freude kann der Besitz von Objekten bereiten, die beispielsweise eine bestimmte soziale Gruppe repräsentieren, aber auch eine neue Kaffeemaschine im Büro, die kollegialer Treffpunkt und damit Ort für Kommunikation und für soziales Leben wird.
„Physio-pleasure“ Dieses körperlich erfahrbare Vergnügen entsteht durch Sinneseindrücke wie Berührung, Geruch oder andere sensuelle Reize. Beispielsweise fühlt sich etwas angenehm warm und weich an, und es liegt durch runde Formen gut und sicher in der Hand.
„Ideo-pleasure“ Produkte repräsentieren immer auch bestimmte Werte. Spiegeln sich in den Produkten die persönlichen Ideale des Besitzers wider, empfindet dieser Freude an ihnen. Wer ökologische Werte achtet, erwirbt mit Vergnügen energiesparende Geräte oder naturbelassene Bioprodukte, andere empfinden aufgrund ihrer ethischen Verpflichtung Freude an „Fair trade“- Produkten oder tierversuchsfreier Kosmetik.

Freude durch Erinnerung – Produkte als „Souvenirs des eigenen Lebens“

Produkte lösen häufig starke Empfindungen in uns aus, wenn wir mit ihnen eine bestimmte Erinnerung verknüpfen. Sie sind „Erinnerungsträger“ und stellen ein Bindeglied zwischen der Gegenwart und einem bereits vergangenen Erlebnis oder einer Stimmung her. Produkte sind somit Vergnügen, aber auch Enttäuschung oder Trauer auslösende Souvenirs des eigenen Lebens. Als Repräsentanten bestimmter Lebensmomente und – phasen, aber auch konkreter Ereignisse, spiegeln sie das einst durchlebte Gefühl wider und machen dieses über Jahrzehnte oder lebenslang für uns abrufbar. Dies mag begründen, warum wir uns von vielen Gegenständen, die unseren ästhetischen oder qualitativen Ansprüchen schon lange nicht mehr genügen, dennoch nicht trennen. Denn entfernten wir sie aus unserem Lebensumfeld, entschwände mit ihnen vielleicht auch ein bestimmter Moment und Teil unseres Lebens für immer aus unserer Erinnerung, der bislang durch genau jenes Objekt abrufbar war.

Lass’ Dich überraschen – Produktdesign wider die Norm

Überraschungsmomente im Produktdesign stellen sich durch unerwartete visuelle oder andere sensorische Produkteigenschaften ein, die der „gelernten“ Erwartung des Betrachters zuwiderlaufen. Vorraussetzung für das Einsetzen von Überraschung ist eine über Jahre erfolgte „Prägung“ auf formale Charakteristika, auf Standardformen, kurz: auf Dinge, die „der Norm“ entsprechen. Beispielsweise besitzt ein Staubsauger in der Regel ein voluminöses Gehäuse auf Rädern, ein langes separates Rohr sowie ein Kabel und ist eben nicht flach, rund und kabellos. In einer solchen Form würden wir den Staubsauger nicht vermuten, da sie sich unseren Sehgewohnheiten widersetzt und das Gehirn kein „Erinnerungsbild“ findet, das diesen formalen Vorgaben entspricht. Zwangsläufig stellt sich Neugier und beim „Erkennen“ der tatsächlichen Funktion des Gerätes Überraschung ein.
Manche Objekte wecken allerdings gerade durch vertraute Formen oder Oberflächenanmutungen eine bestimmte Erwartungshaltung bezüglich ihrer Funktion, ihres Materials oder sonstiger Produkteigenschaften. Trifft das Auge beispielsweise auf solche Gegenstände, deren Oberflächenanmutung und Gestalt im Gehirn die gelernten Erinnerungsbilder „mattiertes Glas“ und „Vase“ aktivieren, ist man zunächst nicht weiter überrascht, ja vielmehr überzeugt, Glasvasen vor sich zu haben. Die Berührung dieser Vasen löst jedoch umgehend einen Überraschungseffekt aus, denn wider Erwarten bestehen die Vasen aus weichem Silikon. Das Gehirn hat voreilig seine Schlüsse gezogen und sich täuschen lassen, aber in Folge auch dazugelernt. Treffen wieder einmal vergleichbare visuelle Reize im Gehirn ein, wird es beispielsweise die Materialoption „Silikon“ mitberücksichtigen oder auch den kabellosen, runden Staubsauger als solchen erkennen.

Magische Momente

In besonderem Maß irritieren bislang nicht etablierte und zum Teil auch widernatürlich und surreal anmutende Eigenschaften von Objekten. Beispielsweise eine schwebende Leuchte oder Vase, oder ein farbig leuchtender Wasserstrahl. Der Eindruck solcher Produkte ist sehr intensiv. Denn ein Überraschungseffekt ist umso stärker, je „unerkennbarer“ und „unnatürlicher“ seine Ursache für uns ist. Ereignisse, deren Hintergründe wir nicht sofort erklären können, empfinden wir als erstaunlich. Umgekehrt verliert sich das Staunen, je eindeutiger die Wirkung auf seine Ursache zurückzuführen ist.

Neugier – Reize im Produktdesign

Der hohe Sättigungsgrad im Konsumgeschehen führt dazu, dass die Anreizqualitäten auch im Produktdesign ständig erhöht werden müssen. Denn „gewöhnliche“ und vertraute Formen drohen ins Abseits der Nichtbeachtung abzudriften. In der heutigen Warenvielfalt muss es das „noch nie da Gewesene“, das Neueste, das Ungewöhnlichste sein, um die Aufmerksamkeit potenzieller Käufer zu erregen.
Bekannte und auch bewährte Geräte- oder Produktformen zu modernisieren oder neu zu formulieren und damit einen „Blickfang“ zu schaffen, ist daher zu einem überaus wichtigen Gestaltungsziel geworden. Im Produktdesign wecken unbekannte, der eigenen Erfahrung fremde Formen Neugier. Es kann sich dabei um neu entwickelte Produkttypen handeln wie beispielsweise vor ein paar Jahren der MP3-Player. Oder es handelt sich um gestalterische Neuformulierungen für altbekannte Produkttypen, wie etwa ein kreisrunder Staubsauger ohne Saugrohr und Kabel. Auch ungewöhnliche Gestaltungsdetails wecken unsere Neugier, wie eine Uhr mit nur einem Zeiger, die dem uns vertrautem Zweizeigersystem zur Darstellung von Zeit widerspricht und die wir – vergleichbar einem fremden Schriftzeichen – zunächst nicht lesen und deuten können. Oft sind technische Innovationen Voraussetzungen für gestalterische Neuformulierungen. So ermöglichen beispielsweise moderne LEDs (Leuchtdioden) aufgrund ihrer geringen Größe innovative, etwa sehr flache und filigrane Leuchtenentwürfe, die unter Verwendung bisheriger Leuchtmittel wie etwa Glühlampen nicht denkbar waren. Neugier lässt sich auch wecken, in dem das Objekt etwas von sich preisgibt, das sonst verborgen bleibt. Beispielsweise präsentieren Objekte aus durchsichtigem Kunststoff wie ein Radio oder eine Leuchte ihre technischen und konstruktiven „Eingeweide“ und wecken damit die Neugier nicht nur von technikbegeisterten Personen.

Von Kreaturen und anderem Getier

Wer kennt sie nicht, die lachende Brigade bunter Kunststoffobjekte für Küche und Schreibtisch! Leicht ließe sich mit der offerierten Vielfalt ein abwechslungsreicher Kreaturenpark oder eine Arche Noah aus Heftmaschine, Scherenhalter, Flaschenöffner &Co. zusammenstellen, so artenreich ist das Angebot dieser Produktsparte. Ihr Erfolg spricht für sich: Von diesen Kreaturen geht ein besonderer Reiz aus. Doch wie ziehen uns diese Produkte in ihren Bann? Ist es das Animalische, das uns anzieht? Oder sind sie gleichsam gesellschaftsfähige „Kuscheltiere“ für Erwachsene, derentwegen sich niemand zu schämen braucht? Ein einfaches Stofftier in der Edelküche eines erfolgreichen Geschäftsmannes riefe unzweifelhaft deutliche Irritation her vor, ein Handfeger in Hundeform zeichnet ihn in den Augen vieler hingegen als modern und trendorientiert aus. In ihrer Form folgen die an Tier- oder Phantasiewesen erinnernden Objekte häufig dem sogenannten „Kindchenschema“: Sie besitzen einen überdimensionierten Kopf, große Augen, rundliche Formen und verkürzte, „knuffige“ Proportionen. Diese Signale verströmten bereits die Stofftiere unserer Kindheit. Sie gaben uns Trost und Halt, lösten aber zugleich unseren Zuwendungs- und Fürsorgeinstinkt aus. Welche faszinierende, positiv besetzte Anziehungskraft Tiere generell auf uns haben, demonstrierte eindrücklich der Wirbel um die Eisbären-Waisenkinder „Knut“ und „Flocke“ im Lauf des letzten Jahres. In beider Fall war es wohl gerade die unnatürliche Partnerschaft von Mensch und wildem Tier – gewissermaßen das lebendig gewordene Stoffkuscheltier – welche den besonderen „Hype“ erklärt. Denn kleine Eisbären gab es bereits häufiger in Zoos zu bestaunen – aber eben nicht mit einem menschlichen Muttertier. Den kreatürlichen Objekten haftet zumeist auch eine gewisse Komik an. Denn sie vereinen Dinge, die eigentlich nicht zusammengehören. Beispielsweise Borsten einer Kehrschaufel, die als Hundebeine fungieren oder eine Nagelschere, die zu einem Vogelgesicht wird. Aber Vorsicht! – Es gibt auch eine Theorie, nach der die bunt-humorigen Haushaltsgeräte lediglich für den nordeuropäischen und nordamerikanischen Markt geeignet seien. Hier böten die Geräte den Kunden Ablenkung von der langweiligen Hausarbeit. Nicht so auf dem mittel – südamerikanischen sowie südeuropäischen Markt: Dort würden die Hausfrauen die Hausarbeit als seriöse Rolle in ihrem Leben betrachten, die sie nicht trivialisiert und respektlos behandelt sehen wollen.

Just fun! – Produkte, die uns erheitern

Produkte erheitern uns auf vielfältige Art. Erheiterung lösen meist Situationen oder Gegenstände aus, die als „witzig“ oder „komisch “empfunden werden. Eine der Hauptbedingungen für den Eindruck des Komischen ist die Unvereinbarkeit bestimmter Dinge: Etwas wird zusammengefügt, was eigentlich nicht zusammengehört, es erscheint damit unsinnig und unlogisch. Diese unerwartete, widernatürliche Nichtübereinstimmung löst eine mehr oder weniger starke Irritation aus. Die zwischen den unvereinbaren Tatsachen bestehende Spannung findet ihr Ventil im Witz, der gewissermaßen die Lösung des Rätsels ersetzt. Als witzig empfinden wir beispielsweise viele der buntfarbigen Objekte aus dem Küchenutensilien- oder Büroartikelbedarf, die häufig unlogische Komponenten auf weisen: Hundebeine mutieren zu Borsten einer Kehrschaufel und eine Nagelschere zum Vogelgesicht, oder einer Wärmflasche entwachsen Beine. Unlogisch ist ebenso der „on/off“ Schalter an einer Kerze, die eigentlich keines mechanischen Schaltmechanismus bedarf. Werden beide Elemente dennoch kombiniert, entsteht ein witziges Moment – genauso wie bei dem „Mann zum Selberbacken“ mittels Backmischung und Backform.

Wohlbehagen

Neben Hunger, Durst, Sexualität und Schmerzvermeidung zählt auch das Streben nach „Behagen“ zu den Triebkräften des Menschen. Intuitiv suchen wir nach Zuständen, die unser Organismus als angenehm empfindet und die uns wohltun. Im Vordergrund stehen dabei intensive sinnliche Erlebnisse.

Der Wunsch der Menschen nach Behaglichkeit ist ein starker Kaufreiz. Produktentwickler nutzen diese Begehrlichkeit gezielt aus und konzipieren Verwöhnprodukte für fast alle Lebensbereiche. Von weichen Materialien über organische Formen im Möbel- und Gebrauchsgerätebereich, romatherapiegestützten Körperpflegeprodukten bis hin zu zahlreichen Entspannungsgerätschaften, um nur ein kleines Spektrum zu nennen. Selbstverwöhnung im Eigenheim ist angesagt. Der Grund hierfür scheint nahezuliegen: Unsere von Stress und Härte geprägte Alltagsrealität provoziert möglicherweise bei vielen den Wunsch, wenigstens im eigenen Lebensraum jegliche „Härte“ und „Kühle“ zu vermeiden. Im Gegenzug umgeben sie sich mit einem wohligen, alles Ungemach absorbierenden „Wattebausch“ in Form von höhlenartig umfangenden Möbeln, weichen, warm anmutenden Oberflächen von Gebrauchsgeräten und Wohnaccessoires und einer von Licht und Duft geprägten Atmosphäre. Andere bevorzugen hingegen eher die Klarheit und „Leere“ nüchterner Räume und empfinden diese als behaglich. Menschen in einer für sie angenehmen Situation weisen eine entspannte Gesichtsmuskulatur auf, die bis hin zum genussvollen Schließen der Augen gehen kann. Der Atemdruck lässt nach, wir atmen tief aus, was ein „behagliches“ Seufzen erzeugen kann.

„Rund, glatt und warm“ kontra „eckig, rau und kalt“

Ist es unser ureigener Instinkt, der uns runde, weiche Formen beim Berühren meist als angenehmer empfinden lässt als spitze, kantige Formen? Denkbar wäre es, denn organische, „gut in der Hand liegende“ Formen weisen durch ihre Anschmiegsamkeit eine geringere Verletzungsgefahr auf, scharfkantige oder spitze Gegenstände müssen wir hingegen umsichtiger anfassen, um Verletzungen zu vermeiden. Babyspielzeug ist daher nie spitz und eckig, sondern eher rund und anschmiegsam. Und warum bevorzugen wir – wie Versuchsergebnisse gezeigt haben – „warm“ erscheinende Materialien und empfinden „kalte“ hingegen als unangenehm? Der Grund könnte im „ökonomischen Denken“ unseres Organismus liegen: Kälte zwingt den Körper, eigene Energie zur Aufrechterhaltung der Körpertemperatur aufzuwenden. Der kalte Gegenstand in unserer Hand entzieht dem Körper Energie, der warme führt ihm Energie zu. Ein warmer Gegenstand belastet den energetischen Haushalt weniger als ein kalter. Möglicherweise liegt hier die Erklärung für die unbewusste und immer situationsabhängige Bevorzugung „warmer“ oder warm erscheinender Gegenstände. Denn sind wir erhitzt und der Körper benötigt dringend Abkühlung, bevorzugen wir einen „kalten“ Metallgriff gegenüber einem „warmen“. Auch ist das Empfinden von Temperaturen nicht allein an die messbare Temperatur von Gegenständen gekoppelt. Temperaturempfindungen lassen sich auf indirektem Weg hervorrufen durch Farben („warme“ Farbtöne), Wörter (feurig, eisig) oder Klänge (scharfe, klirrende Töne gegenüber harmonischen, dumpfen). Ein erfrischend-kühles Duschgel wird daher bevorzugt blau oder grün sein, ein entspannend-wärmender Badezusatz hingegen rot-orangetonig.

Sinnliche Qualitäten von Produkten

„Produkte, die unter die Haut gehen“ – der Slogan erscheint plausibel. Mit über zwei Quadratmetern Fläche ist die Haut das größte Sinnesorgan des Menschen. Ihre unzähligen Sinneszellen übermitteln dem Gehirn wichtige Informationen über unsere Umwelt und über die in direktem Kontakt mit uns befindlichen Gegenstände. Halten wir einen Gegenstand in unseren Händen oder berühren wir ihn, liefert uns der Tastsinn Informationen über ganz unterschiedliche Produkteigenschaften: Über die Form und Größe, über die Oberflächenbeschaffenheit sowie über Temperatur und Gewicht. Da die Hände mit ihren zahlreichen, dicht gefügten Sinneszellen unbestechliche Meister im haptischen Erkunden von Produkten sind, richten Produktentwickler bei der Gestaltung ein besonderes Augenmerk auf die „sinnlichen“ Qualitäten der zu entwickelnden Objekte. Gestaltungsdetails wie Form oder Oberfläche geben jedoch nicht allein Informationen über die „Hardware“ von Gegenständen, sondern sie fungieren immer auch als „Zeichen“ für abstrakte Produkteigenschaften. Beispielsweise lassen uns Formen wie spitz/kantig oder rund/weich unbewusst bestimmte Eigenschaften assoziieren, das Gleiche gilt für Oberflächenwirkungen. Eine glatte, metallische Oberfläche verbanden Testpersonen mit Begriffen wie Modernität, Eleganz, Komfort und Lebendigkeit, eine raue Metalloberfläche hingegen mit Langweiligkeit, Traditionalität, Hässlichkeit und Unbehagen. Besitzt ein Produkt eine gewisse „Schwere“, assoziieren wir hohe Qualität und Solidität; daher würde auch niemand Bier, Wein oder gar Sekt in leichten Plastikflaschen anbieten – selbst wenn die produktionstechnische Vorgaben oder der Reifeprozess es zuließen. Geringes Gewicht deutet Materialersparnis an, ein leichtgewichtiges Elektrogerät würden wir beispielsweise als „billig“ einstufen und ihm keine Langlebigkeit zusprechen. Schweren Produkten vertrauen wir diesbezüglich leichter.

Wellmania! – glücksverheißende Produkte überall

Unzählige Wellness-Produkte überströmen heutzutage den Markt. Doch sorgen sie tatsächlich für unser Wohlbehagen? Zweifelsohne können diese Produkte die subjektiv wahrgenommene Lebensqualität erhöhen. Dies basiert vermutlich allein schon auf der Tatsache, dass wir uns Zeit für uns nehmen, beispielsweise für ein entspannendes Bad, einen beruhigenden Tee, eine verwöhnende Körpermassage. Ob die Produkte an sich durch ihre Inhaltsstoffe wesentlich zur Erhöhung des messbaren, physischen Wohlbehagens beitragen, sei offen gelassen. Wahrscheinlich fühlten wir uns mit „normalen“ Pflegeprodukten oder gewöhnlichen Tees ohne Ruhe und Ausgewogenheit verheißende Namen genauso entspannt. Der wohltuenden „Selbstverwöhnung“ ebnen Wellness-Produkte jedoch leichter den Weg als normale Produkte. Sie sind suggestiver durch Namen und aufwändige Verpackung, womit sie uns das Gefühl des Außergewöhnlichen und von Luxus vermitteln, und sie sind teuer. Teuer bezahlten Luxus konsumieren wir jedoch nicht auf die Schnelle, hierfür nehmen wir uns bewusst Zeit. Auch ist unser Unterbewusstsein – da „teuer“ gleichgesetzt wird mit „gut“ – von Anbeginn offener für eine positive Bewertung der Produkte und wir meinen daher tatsächlich, die Haut ist weicher, der Körper entspannter. Allein durch die Tatsache, dass wir uns Luxus gönnen und uns selbst belohnen, steigt das Wohlbehagen. Die Inhaltsstoffe der Produkte, insbesondere Düfte aus dem Bereich der Aromatherapie, unterstützen und verstärken dieses Gefühl möglicherweise, aber alleine sorgen sie sicherlich nicht für die Entstehung von Wohlbehagen. Wer stark angespannt und nicht offen für Entspannung ist, dem nützt auch der beste Aromatherapie-Badezusatz mit dem Namen „Momente der Ruhe“ nur wenig.

„Nur für mich und so wie ich es will!“ – Produkte fürs Ego

Der Konsumgütermarkt hat eine neue Zielgruppe entdeckt: das „Ich“. Kunden möchten heute verstärkt über das Aussehen und die Art der Nutzung von Produkten mitbestimmen, diese gemäß ihren eigenen Vorstellungen gestalten und benützen.

Produkte müssen dem Nutzer „Freiräume“ lassen, um besonderen Spaß zu bereiten und zu gefallen. Lassen Produkte zu, dass der Mensch ihnen seinen persönlichen „Stempel“ aufdrückt, entsteht eine enge Beziehung zwischen Produkt und Besitzer und dadurch eine ebenso starke Markenbindung. Offensichtlich möchte sich der kaufwillige Kunde nicht mehr als Teil einer „Kundenherde“ verstehen, welche den Vorgaben der Hersteller ergeben folgt, sondern sein „Selbst“, seine Persönlichkeit, verstärkt in den Vordergrund rücken. Der Mensch folgt dabei dem Wunsch nach Individualität, um sich von der Masse abzuheben und im Sinne der Evolution Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Das Konsumgeschehen prägen heutzutage jedoch im wesentlichen Großkonzerne, die ihr Sortiment länderübergreifend offerieren und somit – überzogen formuliert – zur Vereinheitlichung der Bevölkerung beitragen. Leicht laufen wir Gefahr, als eine Art „Klon“ durch die Welt zu gehen, ausgerüstet mit identischer Kleidung, technischem Equipment, Mobiliar und Convenience- food. Wie lässt sich jedoch der neue Kaufreiz „Individualität“ mit den Prinzipien des globalen, profitorientierten Massenkonsums vereinbaren?

Kundenindividualität im Massenkonsum: Ein großer, aber nicht unlösbarer Spagat für die Hersteller. Die Lösungen heißen einerseits „mass customization“, andererseits „Flexibilität“ der Produkte hinsichtlich Aussehen und Nutzung. Kundenindividuelle Fertigung ermöglicht dem Käufer, sich ein Produkt gemäß seiner Vorstellung aus einzelnen Modulen zusammenzustellen. Andere Produkte kann der Nutzer entsprechend seiner Ideen immer wieder „neu“ gestalten und seinem jeweiligen „Geschmack“ oder Bedarf anpassen: Letztendlich aber bietet all diese Variabilität dem kreativen „Selbst“ nur begrenzte Entfaltungsmöglichkeiten. Doch darf die subjektiv positive Wahrnehmung des Selbstgestaltens nicht unterschätzt werden. Der Nutzer wird aktiv in den Gestaltungsprozess eingebunden, ihm obliegt die letzte schöpferische Handlung und damit die Entscheidung über die endgültige Form. Das Bewusstsein „Ich habe es vollendet“ dürfte bei den meisten ein Gefühl großer Befriedigung, von Stolz oder auch Überlegenheit gegenüber anderen vermitteln. Diese für das Selbstbewusstsein erhebenden Gefühle übertragen sich auch auf die Marke und tragen deutlich zu einer Identifikation des Käufers mit der Marke bei.

Mass customization – Unikate für die Masse

Einheitliche Massenware provoziert das Verlangen nach Individualität. Der Markt hat auf diesen Wunsch bereits reagiert und bietet zunehmend Produkte an, über deren endgültige Gestalt der Käufer mitbestimmen kann. Die massenhafte Produktion von individuell auf den Kunden zugeschnittenen Produkten nennt sich in der Fachsprache „Mass customization“ oder „Mass customizing“. „Mass customization“ bietet dem Käufer die Möglichkeit, sich ein Produkt gemäß seinen Wünschen aus einzelnen vom Hersteller vorgegebenen und miteinander kombinierbaren Modulen zusammenzustellen. Der „Entwurfsprozess“ findet mit Hilfe speziell programmierter Produktkonfiguratoren am Computer statt. Bereits am Bildschirm lässt sich – nach Auswahl der bevorzugten Einzelmodule – das Aussehen, beispielsweise einer Tasche, begutachten. Die Selektionsmöglichkeiten beschränken sich meist auf bestimmte Grundformen, Materialien, Farben, Größen und Detaillösungen wie etwa Absatzformen bei Schuhen. Dank computergestützter Fertigungsverfahren werden diese unikatähnlichen Produkte kostengünstig hergestellt. Die Automobilbranche setzt das Prinzip der kundenindividuellen Fertigung bereits seit Jahren um. Mittlerweile lassen sich jedoch auch Kleidung und Schuhe, Accessoires wie Taschen oder Armbanduhren oder sogar Bier und Wein (!) am Computer selbst gestalten. Je stärker der Bezug und die Nähe der Produkte zum eigenen Körper, desto größer ist offensichtlich der Wunsch, diese Dinge, die das „Selbst“ direkt tangieren und formen, nach persönlichen Vorstellungen zu gestalten.

Die dem Baukastenprinzip folgenden Produktkonfiguratoren bieten dem Kunden trotz vieler Wahlmöglichkeiten dennoch nur beschränkte Gestaltungsfreiheit. Letztendlich legt der Hersteller die auswählbaren Materialien, Farben und Grundmodelle fest und gibt eine auf das eigene Markenimage abgestimmte Richtung vor. Je mehr Einzelkomponenten des Produktes miteinander kombiniert werden können, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, am Ende wirklich ein „Unikat“ zu besitzen; rein theoretisch könnte sich jedoch eine andere Person exakt die gleiche Kombination zusammenstellen.

Bei aller Euphorie sollte jedoch nicht übersehen werden, dass „mass customization“ nicht nur ein netter Dienst am Kunden ist. Die Hersteller erhalten ohne Datenschutzdiskussionen scharf umrissene Käuferprofile und kostenlose Marktstudien über hochaktuelle Kundenwünsche.

Veränderbar! – Produkte, die sich dem eigenen Willen unterordnen

Nicht alle Hersteller können oder wollen dem Kunden so viel Freiheit lassen, sich das Produkt vor der Fertigung selbst zusammenzustellen und bei der Gestaltung aktiv mitzuwirken. Das Gefühl der „Selbstbestimmtheit“ lässt sich auch auf anderem Wege erlangen, indem der Kunde den Objekten beispielsweise den letzten, dem eigenen Willen unterworfenen „Schliff“ verleiht. Oder er kann die Objekte immer wieder leicht abwandeln, „neu“ gestalten und dabei seinem jeweiligen „Geschmack“, seiner Stimmung oder seinem Bedarf anpassen. So lassen sich beispielsweise Lampen in verschiedene Formen biegen, Porzellanschalen mit Stickgarn dekorieren oder eine Sitzbank nach Bedarf verlängern und in eine individuelle Form biegen. Und erlebt der in den 1970er Jahren so beliebte „Sitzsack“ vielleicht gerade durch sein „Selbstbestimmungspotential“ in letzter Zeit ein deutliches Revival? Die Sitzsäcke oder Sitzkissen erlauben dank ihrer flexiblen Füllung ein variantenreiches Sitzen. Wir können uns auf ihnen „fläzen“ wie es uns beliebt, sitzen, liegen, ganz nach Lust und Laune. Nicht eine fest gefügte Grundform gibt eine bestimmte Art des Sitzens vor, der man sich anzupassen hat, sondern der Nutzer formt die Sitzgelegenheit nach eigenem Befinden. Befreit vom Gängelband der Hersteller, die eine Nutzungsart oder Form des Objektes unveränderbar vorgeben, frönt der Kunde der Selbstbestimmung.

Gestalt

Der zentrale Begriff der Objektästhetik ist der, der Gestalt, wobei Gestalt als Oberbegriff für die Gesamterscheinung eines ästhetischen Objektes, also auch für ein Industrieprodukt, steht. Die Gestalt eines Industrieproduktes ist die Summe von Gestaltelementen und deren Wechselbeziehungen, die im Gestaltaufbau festgelegt sind. Weil bei der Tätigkeit des Industrial Designers Gestaltelemente nach einem Gestaltprinzip zu einer Gestalt gefügt werden, wird dieser Vorgang auch als Gestaltung bezeichnet.

Die Gestalt eines Industrieproduktes wird beeinflusst durch die bestimmte Art der Gestaltstruktur, die entsprechend ihrer Ausprägung auf den Benutzer der Produkte eine Wirkung ausübt. Diese Wirkung ruft im Betrachter oder Benutzer des Produktes eine Haltung hervor, die sich als Zustimmung oder Ablehnung des Produktes oder als Neutralität dem Produkt gegenüber äußern kann. Eines der Hauptprobleme des Industrial Designers ist es nun zu wissen, in welcher Weise das Produkt auf die unterschiedlichen Benutzer wirken soll. Dementsprechend muss er die Gestaltelemente nach einem geeigneten Gestaltprinzip ordnen, um die gewünschte Wirkung zu erreichen…

Die Wirkung der Gestalt bzw. die Sprache eines Industrieproduktes ist durch die Konstellation der Gestaltelemente festgelegt. Eine Verwandlung der Wirkung ist möglich durch die Veränderung der Anordnung der Elemente. Das wahre Wesen eines Produktes, z. B. die Konstellation der durch die praktischen Funktionen festgelegten Bauelemente eines Fernsehgerätes, kann in seiner Wirkung auf den Benutzer durch Anlegen einer Hülle – eines Gehäuses– durch den Industrial Designer beeinflusst werden. Zum einen kann die Qualität der praktischen Funktionen durch die Präzision des Gehäuses ausgedrückt werden, zum anderen kann aber auch durch eine entsprechend beeinflusste Gestalt eines Produktes eine praktisch-funktionale Qualität vorgetäuscht werden, die nicht vorhanden ist. Hierbei wird klar, dass durch die gezielte Beeinflussung der Gestalt die Sinnlichkeit und Vorstellungen der Produktbenutzer beeinflussbar sind.

Gestaltaufbau

Gestaltaufbau

Der Gestaltaufbau eines Industrieproduktes bzw. dessen Gestaltstruktur wird festgelegt durch die Art der Gestaltelemente, deren Konstellation, mengenmäßige Verteilung und ihr Verhältnis zum Ganzen. In besonderer Weise kommt den beiden Phänomenen Ordnung und Komplexität beim Betrachten des Aufbaus einer Gestalt Bedeutung zu. Ordnung und Komplexität sind zwei Pole eines Gestaltungsprinzips. Demnach besitzt ein Industrieprodukt mit hoher Ordnung geringe Komplexität, ein Industrieprodukt mit hoher Komplexität wenig Ordnung. Dies muss genauer betrachtet werden, weil dieser Zusammenhang die Thematik der Objektästhetik und Ästhetischen Wahrnehmung wesentlich beeinflusst.

Ordnung

Die Ordnung an einem Industrieprodukt wird bestimmt durch eine geringe Anzahl von Gestaltelementen und durch eine geringe Menge von Anordnungseigenschaften. Für die menschliche Wahrnehmung bedeutet hohe Ordnung ein Wahrnehmungsangebot mit geringem Informationsgehalt. Dies hat zur Folge, dass die Gestalt schnell erfasst werden kann. Jede Art von Ordnung verleiht dem Menschen ein Gefühl der Sicherheit, weil er die Objekte mit hoher Ordnung bis in alle Einzelheiten schnell erfassen und begreifen kann und die Wahrnehmung frei wird für andere Angebote. In einer hochkomplexen Umwelt dagegen, in der die vielfältig auf die menschliche Wahrnehmung einströmende Information nicht restlos verarbeitet werden kann, bleibt eine Unsicherheit zurück, die sich negativ auf die menschliche Psyche auswirken kann. Prinzipiell bevorzugen wir daher Objekte mit einer relativ hohen Ordnung. An irgendeinem Punkt auf der Skala zwischen den extremen Punkten Ordnung und Komplexität liegt die Vorliebe der verschiedenen Personen. Wodurch diese Vorliebe beeinflusst wird, soll unter dem Thema Ästhetische Wahrnehmung noch genauer betrachtet werden. Die Ordnung an einem Industrieprodukt ist beeinflussbar durch die Anwendung verschiedener Ordnungsprinzipien, von denen hier nur die wesentlichen genannt werden können. Der tschechische Literaturwissenschaftler Mukarovsky geht der Frage nach, ob ästhetische Prinzipien existieren, die sich aus der anthropologischen Veranlagung des Menschen ergeben. Er vermutet, dass ästhetisches Wohlgefallen entsteht, wenn der Mensch in der gegenständlichen Umwelt Prinzipien erkennt, denen sein eigener Körper unterliegt. Dies ist vor allem das Horizontal- Vertikal-Bezugssystem. Erdboden und Himmel, begrenzt durch die Horizontlinie, zudem die Vertikallinien von Bäumen waren seit je Orientierungspunkte für die menschliche Wahrnehmung. Der überwiegende Teil der gemachten Umwelt des Menschen, die Objekte der Architektur ebenso wie Industrieprodukte, unterliegt dem Ordnungsprinzip des Horizontal-Vertikal-Bezugsrahmens. Ein weiteres Ordnungsprinzip ist die Symmetrie, die Spiegelbildlichkeit oder Gleichförmigkeit. Auch bei der Symmetrie eines Produktes kann diese dem Horizontal-Vertikal- Bezugsrahmen entsprechen, wobei dann zwischen Horizontalsymmetrie und Vertikalsymmetrie unterschieden wird. Horizontalsymmetrische Produkte werden aufgrund der horizontalen Orientierung des menschlichen Wahrnehmungsfeldes und des damit verbundenem geringeren Wahrnehmungsaufwands prinzipiell vertikalsymmetrischen Produkten gegenüber bevorzugt. Aus den bisher betrachteten Ordnungsprinzipien kann geschlossen werden, dass all jene Objekte eine hohe Ordnung besitzen, die wenig Information aussenden, dadurch geringen Aufmerksamkeitswert besitzen und mit wenig Wahrnehmungsaufwand schnell erfassbar sind. Rhythmus, die sich gleichmäßig wiederholende Bewegung oder Anordnung, ist ebenso im menschlichen Körper (Atmung, Herzschlag) enthalten wie in der Natur (Gezeiten, Jahreszeiten). Dementsprechend ist Rhythmus an vom Menschen gemachten Dingen als bevorzugt verwendetes Ordnungsprinzip vorzufinden. Rhythmus entsteht durch Reihung von Gestaltelementen wie Luftschlitzen, Stäben, Bedienelementen, Ziffern oder Ornamenten. Je klarer der Rhythmus wahrnehmbar ist, d.h., je weniger Aufwand bei der Wahrnehmung entsteht, desto höher ist der Grad der Ordnung, aber auch der Eindruck der Monotonie. Verletzt ein Element den Rhythmus der Anordnung (ein Mittel, um Aufmerksamkeit zu erzeugen), erhöht sich die Komplexität und somit der Wahrnehmungsaufwand.

Komplexität

Das extreme Gegenteil der Ordnung als Aspekt des Gestaltaufbaues ist die Komplexität. Die Komplexität an einem Industrieprodukt wird bestimmt durch eine hohe Anzahl von Gestaltelementen und durch eine umfangreiche Menge von Anordnungseigenschaften. Für die menschliche Wahrnehmung bedeutet hohe Komplexität ein Wahrnehmungsangebot mit umfangreichem Informationsgehalt. Dies hat zur Folge, dass die Aufmerksamkeit des Betrachters über längere Zeit gefesselt bleibt. Durch komplexe Erscheinungen der Umwelt entsteht beim Wahrnehmenden jene Unsicherheit, die zum Teil durch analytische Betrachtung der Gestaltstruktur und das Erkennen ihrer Zusammenhänge abgebaut werden kann. Dadurch wird aber das Interesse des Betrachters in hohem Maße an die Gestalt gebunden… Der Gestaltaufbau eines Industrieproduktes kann durch gezielten Einsatz entsprechender Prinzipien so beeinflusst werden, dass hohe Komplexität entsteht. Dies ist in vielen Fällen durch die Umkehrung der Prinzipien zu erreichen, mit denen hohe Ordnung möglich wird. Jede Abweichung vom Horizontal-Vertikal-Bezugsrahmen (z. B. Diagonale, freie Form) erhöht die Komplexität eines Produktes, löst etwa die Statik auf in Dynamik, manchmal auch in Ungleichgewicht. Dies ist auch durch das Prinzip der Asymmetrie zu erreichen. Das Gegenprinzip von Rhythmus ist das Kontrastprinzip. Kontraste im Gestaltaufbau werden gebildet durch gleichzeitige Verwendung großer und kleiner Formen, glatter und strukturierter Oberflächen, durch aktive und passive Farben usw. Kontraste sind besondere Reize für unsere Wahrnehmung, sind in besonderer Weise dazu geeignet, die Komplexität der Gestaltstruktur zu erhöhen und unsere Aufmerksamkeit zu fesseln…