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Aus Erfahrung gut!

„Vertrauen“ umschreibt die feste Überzeugung, sich auf eine Person oder Sache verlassen zu können. Für das Funktionieren unseres sozialen Miteinanders stellt Vertrauen eine Grundvoraussetzung dar.

Vertrauen erlangen wir durch eigene Erfahrungen. Wer sich mehrfach von der Zuverlässigkeit eines Produkts überzeugt hat, vertraut ihm und kauft es erneut. Dieser persönliche Vertrauensaufbau erfordert Zeit und Geduld, die der Käufer meist nicht hat. Bei schnellen Kaufentscheidungen vertrauen wir daher Produkten, die durch jahrelange Marktpräsenz Solidität signalisieren oder von etablierten Autoritätsinstanzen positiv bewertet wurden. Markenprodukte genießen generell großes Vertrauen und haften allein durch ihren „guten Namen“. Anderen Produkten schenken wir Vertrauen aufgrund aufgedruckter Prüf- oder Qualitätssiegel.

Starke Marke! – denn da weiß man, was man hat!

Markenartikel sind Energiesparer: Sie entlasten unser Gehirn beim Gang durch den Supermarkt! Beim langwierigen gegeneinander Abwägen der offerierten Produkte verbraucht das Gehirn viel Energie – eigentlich eine Verschwendung angesichts der nicht lebenswichtigen Entscheidung, welches der in ihrem Nutzwert identischen Produkte für uns das Beste wäre. Der schnelle Griff nach vertrauten und soliden Markenprodukten verkürzt das Auswahlverfahren erheblich und spart „Denkenergie“ für wahrhaft wichtige Entscheidungen.

Markenprodukte haften allein durch ihren „guten Namen“. Wir schenken ihnen blindes Vertrauen und greifen nach ihnen ohne langes Nachdenken. Der von Mobilität, Hektik und schnellem Wandel geprägten Gesellschaft offerieren sie wohltuende, unser Sicherheitsbedürfnis bedienende Konstanten. Als risikolose „Konsumlebensversicherung“ bewahren Markenprodukte uns gleich vor mehreren „Gefahren“: durch schlechte Qualität die eigene Gesundheit zu gefährden; Enttäuschung zu empfinden angesichts minderer Qualität oder schlechtem Preisleistungsverhältnis; oder sozial im Abseits zu stehen, weil man beispielsweise die falschen Turnschuhe trägt.

Visualisierte Reinigungskraft – von sanften Spülmitteln und aggressiven Fettlösern

Vorgestellt seien zwei fiktive Produkte: Das hautfreundliche, besonders sensitive Spülmittel „Cratzi“ und der schonende, ökologisch abbaubare Küchenreiniger „Oxytrem“, beide verpackt in neongelber Flasche mit pinkfarbener oder grellgrüner Schrift. Kein auf „sanfte Reinigungskraft“ Wert legender Kunde würde nach diesen Produkten greifen, denn ihr „Äußeres“ – inklusive des Produktnamens – widerspricht den etablierten Zeichen für „Sanftheit“, die wir als Verbraucher über Jahre gelernt haben.

Wer die Supermarktregale hinsichtlich der Gestaltung von Haushaltsreinigern oder Spülmitteln analysiert, erkennt das Gestaltungsprinzip schnell: Das sensitive und vielleicht auch parfümfreie Spülmittel ist durchsichtig und in einer ebensolchen Flasche verpackt, oder es schimmert seidigweiß und lässt die Geschmeidigkeit von Körperlotion assoziieren; als maximalen Farbreiz weist es eine zarte Pastelltönung auf. Sanfte Farben suggerieren sanften Inhalt und die Durchsichtigkeit eine „Reinheit“, die vermeintlich auf jegliche Zusatzstoffe verzichtet.

Ganz anderen Prinzipien folgt die Farbgestaltung von Haushaltsreinigern mit besonders starker Reinigungskraft. Hier kommen bevorzugt schrille, „starke“, kontrastierende Farben zum Einsatz wie Neonpink, Lila oder Neongrün. Ein solch schrilles, farblich aggressiv auftretendes Verpackungsdesign lässt – ergänzt durch „knallende“ Namen wie beispielsweise „Bang“ und einer zackig-dynamischen Schrifttype – die hohe, durchschlagende Reinigungskraft bereits vor dem ersten Gebrauch assoziieren.

Verpackungsdesign fungiert demzufolge immer auch als „Zeichen“, anhand dessen der Kunde die Eigenschaften des Inhaltes „ablesen“ kann, gemäß des Mottos: Was starkfarbig aussieht, ist auch stark in der Leistung. Auf dieses Prinzip vertrauend, würde jeder von uns in Ländern, in denen wir aufgrund der fremden Schrift selbst zu Analphabeten werden – also etwa in Japan oder Russland – nach einem sanften oder starken Reinigungsmittel suchen – in der Hoffnung, dass in diesen Ländern dieselben Farbcodes gelten wie bei uns.

Autor*in

Jecht, Heidrun

Werk

Badisches Landesmuseum Karlsruhe Textauszug aus: Design+Emotion. Produkte, die Gefühle wecken. AK Karlsruhe 2008, S. 129, 131 und 134

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