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Von Kreaturen und anderem Getier

Wer kennt sie nicht, die lachende Brigade bunter Kunststoffobjekte für Küche und Schreibtisch! Leicht ließe sich mit der offerierten Vielfalt ein abwechslungsreicher Kreaturenpark oder eine Arche Noah aus Heftmaschine, Scherenhalter, Flaschenöffner &Co. zusammenstellen, so artenreich ist das Angebot dieser Produktsparte. Ihr Erfolg spricht für sich: Von diesen Kreaturen geht ein besonderer Reiz aus. Doch wie ziehen uns diese Produkte in ihren Bann? Ist es das Animalische, das uns anzieht? Oder sind sie gleichsam gesellschaftsfähige „Kuscheltiere“ für Erwachsene, derentwegen sich niemand zu schämen braucht? Ein einfaches Stofftier in der Edelküche eines erfolgreichen Geschäftsmannes riefe unzweifelhaft deutliche Irritation her vor, ein Handfeger in Hundeform zeichnet ihn in den Augen vieler hingegen als modern und trendorientiert aus. In ihrer Form folgen die an Tier- oder Phantasiewesen erinnernden Objekte häufig dem sogenannten „Kindchenschema“: Sie besitzen einen überdimensionierten Kopf, große Augen, rundliche Formen und verkürzte, „knuffige“ Proportionen. Diese Signale verströmten bereits die Stofftiere unserer Kindheit. Sie gaben uns Trost und Halt, lösten aber zugleich unseren Zuwendungs- und Fürsorgeinstinkt aus. Welche faszinierende, positiv besetzte Anziehungskraft Tiere generell auf uns haben, demonstrierte eindrücklich der Wirbel um die Eisbären-Waisenkinder „Knut“ und „Flocke“ im Lauf des letzten Jahres. In beider Fall war es wohl gerade die unnatürliche Partnerschaft von Mensch und wildem Tier – gewissermaßen das lebendig gewordene Stoffkuscheltier – welche den besonderen „Hype“ erklärt. Denn kleine Eisbären gab es bereits häufiger in Zoos zu bestaunen – aber eben nicht mit einem menschlichen Muttertier. Den kreatürlichen Objekten haftet zumeist auch eine gewisse Komik an. Denn sie vereinen Dinge, die eigentlich nicht zusammengehören. Beispielsweise Borsten einer Kehrschaufel, die als Hundebeine fungieren oder eine Nagelschere, die zu einem Vogelgesicht wird. Aber Vorsicht! – Es gibt auch eine Theorie, nach der die bunt-humorigen Haushaltsgeräte lediglich für den nordeuropäischen und nordamerikanischen Markt geeignet seien. Hier böten die Geräte den Kunden Ablenkung von der langweiligen Hausarbeit. Nicht so auf dem mittel – südamerikanischen sowie südeuropäischen Markt: Dort würden die Hausfrauen die Hausarbeit als seriöse Rolle in ihrem Leben betrachten, die sie nicht trivialisiert und respektlos behandelt sehen wollen.

Just fun! – Produkte, die uns erheitern

Produkte erheitern uns auf vielfältige Art. Erheiterung lösen meist Situationen oder Gegenstände aus, die als „witzig“ oder „komisch “empfunden werden. Eine der Hauptbedingungen für den Eindruck des Komischen ist die Unvereinbarkeit bestimmter Dinge: Etwas wird zusammengefügt, was eigentlich nicht zusammengehört, es erscheint damit unsinnig und unlogisch. Diese unerwartete, widernatürliche Nichtübereinstimmung löst eine mehr oder weniger starke Irritation aus. Die zwischen den unvereinbaren Tatsachen bestehende Spannung findet ihr Ventil im Witz, der gewissermaßen die Lösung des Rätsels ersetzt. Als witzig empfinden wir beispielsweise viele der buntfarbigen Objekte aus dem Küchenutensilien- oder Büroartikelbedarf, die häufig unlogische Komponenten auf weisen: Hundebeine mutieren zu Borsten einer Kehrschaufel und eine Nagelschere zum Vogelgesicht, oder einer Wärmflasche entwachsen Beine. Unlogisch ist ebenso der „on/off“ Schalter an einer Kerze, die eigentlich keines mechanischen Schaltmechanismus bedarf. Werden beide Elemente dennoch kombiniert, entsteht ein witziges Moment – genauso wie bei dem „Mann zum Selberbacken“ mittels Backmischung und Backform.

Autor*in

Jecht, Heidrun

Werk

Badisches Landesmuseum Karlsruhe Textauszug aus: Design+Emotion. Produkte, die Gefühle wecken. AK Karlsruhe 2008, S. 58 und 70;

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