Oberfläche

Die Oberflächenbeschaffenheit von Industrieprodukten hat großen Einfluss auf deren visuelle Wirksamkeit und ist meist direkt von der Wahl des verwendeten Materials abhängig. Die Oberflächen verschiedener Materialien und deren Kombination sind wichtiger Auslöser von Assoziationen beim Produktbenutzer wie Sauberkeit, Wärme, Kälte, Frische usw. Durch die verschiedensten Materialien und deren Oberflächenbeschaffenheit (blank, matt, glatt, aufgeraut) bzw. Oberflächenverformung (konkav, plan, konvex) sind gezielt entsprechende Wirkungen durch den Industrial Designer zu erreichen. Charakteristisch für die Oberflächenbeschaffenheit von Industrieprodukten ist deren Makellosigkeit. Die glatte, glänzende, makellose Oberfläche vieler Industrieprodukte verleiht ihnen einen Hauch von Sauberkeit, Perfektion und Ordentlichkeit. Dies sind ohnehin Kriterien, die innerhalb unserer Gesellschaft hoch eingeschätzt werden. Die perfekte, fehlerlose Oberfläche von Industrieprodukten suggeriert eine Perfektion bezüglich der Gebrauchseigenschaften, die nicht immer vorhanden ist. Dieser Oberflächenperfektionismus an den Produkten (das Automobil ist ein gutes Beispiel dafür) kann beim Benutzer ein ausgeprägtes Pflegeverhalten hervorrufen … Dieses Beispiel zeigt, dass Industrieprodukte durch entsprechende Gestaltung sehr wohl dazu imstande sind, das menschliche Verhalten tief greifend zu beeinflussen.

Designbewertungen

Designbewertungen – wie Design beurteilen?

Die Frage nach geeigneten Bewertungskriterien im Design ist so alt wie das Design [1] selbst und bis heute nicht erschöpfend beantwortet. Peter Zec, Geschäftsführer des Designzentrums Nordrhein Westfalen, hält gutes Design für „prinzipiell unentscheidbar“: „Es ist einfach nicht möglich, eine präzise Formel oder ein logisch begründbares Regelwerk über die qualitative Bestimmung von Design aufzustellen!1“. Form [2] und Funktion von Produkten sind klar erkennbar und beschreibbar; doch wie das Gesehene bewerten? Und nach welchen Maßstäben die differenzierten kommunikativen, symbolischen und emotionalen Facetten [3] eines Produktes beurteilen? Gerade wegen dieser kaum zu bewertenden Dimension des Designs, ziehen sich Profis wie Laien meist auf die funktional-ästhetische [4] Ebene zurück. Designjurys diskutieren bei eingereichten Produkten gewöhnlich Faktoren wie Gebrauchsnutzen, innovations- und Veränderungspotential, Nachhaltigkeit und Gebrauchsvisualisierung und ob das Design eines Produktes seine Handhabung für den Benutzer klar ablesbar macht. Dass Design das Verhältnis von Mensch zu Objekt zum Ausgangspunkt der Gestaltung hat, wird dabei vorausgesetzt.

Jede Bewertung ist auch vom jeweiligen Blickwinkel abhängig. Für Unternehmen beispielsweise ist ein Produkt dann gelungen, wenn es zum Markenprofil passt, die Marke aufwertet und Gewinn bringt, materiell wie immateriell. Fachjurys geben mit Designpreisen zwar klare Statements darüber ab, was sie unter gutem Design verstehen, der Gebraucher kann unter gutem Design etwas ganz anderes verstehen. Ähnlich wie bei Filmen oder Büchern, Modekollektionen oder Bauten bedingt eine gute Kritik nicht zwangläufig auch kommerziellen Erfolg.

Von Bewertern, Bewertungen und Bewertbarkeit

Ein Produkt erfüllt nicht nur technisch-praktische Funktionen [5], sondern beinhaltet auch ästhetische und symbolische Funktionen. Während die Bewertung von technisch-praktischen Funktionen relativ einfach, weil überprüfbar ist, lässt sich die Ästhetik eines Produktes nur eingeschränkt beurteilen, denn sie ist geschmacksabhängig. Geschmack wiederum ist das Ergebnis von Sozialisierung, er ist geschlechts-, nationalitäten- und milieuabhängig, und Bewerter sollten sich dessen bewusst sein. In der eingeschränkten Beurteilbarkeit von Ästhetik steckt ein Paradox, denn gerade die Ästhetik eines Produktes ist ja wesentliches Hauptunterscheidungsmerkmal zu anderen.
Noch schwieriger wäre eine Bewertung der symbolischen Funktionen [6]. Auf sozialer Ebene geht es hier um Gruppenzugehörigkeit und um Status. Auf individueller Ebene um die Gefühlsbindung an Objekte. Design ist gewissermaßen eine von mehreren möglichen Sprachen, die über verschiedenste Lebensstile und -auffassungen Auskunft gegen können. Klare, sachliche Gestaltung etwa steht für Rationalität, Aufgeschlossenheit, Modernität und Fortschritt, kann aber auch als emotionale Kälte interpretiert werden. Produkte sind Zeichen [7] eines Lebensgefühls, dem sein Besitzer Ausdruck verleiht. So gesehen kann der Einzelne eigentlich nur bewerten, ob er mit den zum Ausdruck gebrachten Botschaften des Besitzers, mit den Zeichen, einverstanden ist oder nicht.

Obwohl vieles dafür spricht, Design als im Prinzip unbewertbar zu sehen, versuchen Designinstitutionen mittels Designpreisen zu vermitteln, was gutes Design sein könnte. Dabei wird die Thematisierung und damit Bewertung emotionaler bzw. symbolischer Funktionen weitgehend ausgeklammert und so vermieden, mit moralischen Kategorien zu bewerten. Das war nicht immer so.

Der Schweizer Soziologe und Designkritiker Lucius Burckhardt etwa stellte 1977 normative Kriterien für ein neues Design zusammen2. Er fragte:

  • Besteht es aus Rohstoffen, die ohne Unterdrückung gewonnen werden?
  • Ist es in sinnvollen, unzerstückelten Arbeitsgängen hergestellt?
  • Ist es vielfach verwendbar?
  • Ist es langlebig?
  • In welchem Zustand wirft man es fort, und was wird dann daraus?
  • Lässt es den Benutzer von zentralen Versorgungen oder Services anhängig werden, oder kann es dezentralisiert gebraucht werden?
  • Privilegiert es den Benutzer, oder regt es zur Gemeinsamkeit an?
  • Ist es frei wählbar, oder zwingt es zu weiteren Käufen?

Für Lucius Burckhardt hat Gestaltung damit auch gesellschaftspolitische Forderungen zu erfüllen. Dieter Rams [8], einer der bekanntesten deutschen Produktdesigner und Jahrzehnte lang Chefgestalter der Braun AG, argumentiert 1990 in seinen „Zehn Regeln für gutes Design“ weniger politisch als vielmehr ästhetisch3:

Gutes Design

  • ist innovativ.
  • trägt zur Nützlichkeit des Produktes bei.
  • ist ästhetisches Design.
  • macht ein Produkt leicht verständlich.
  • ist unauffällig.
  • ist ehrlich.
  • ist langlebig.
  • ist konsequent – bis ins letzte Detail.
  • ist ökologisch.
  • ist so wenig Design wie möglich.

Aus Dieter Rams’ Worten geht hervor, dass gutes Design für ihn ästhetisch auf das nicht mehr Wegzulassende reduziert sein soll, eine Auffassung, die er mit Vielen teilt. Doch ist gutes Design wirklich „so wenig Design wie möglich“? Was ist gegen eine üppige Anmutung zu sagen? Die Erziehungswissenschaftlerin Doris Schumacher-Chilla etwa beobachtete, dass heute Emotionalität, sensuelle und ikonische Werte die rationalen und funktionalistischen Normen abgelöst hätten4.

Von externen Designwettbewerben und internen Designkriterien

Soll gutes Design zuallererst die Lebensqualität verbessern? Kann ein Gartenzwerg gutes Design sein, weil er seinen Besitzer erfreut? Kann man soziale und politische Aspekte bei der Designbewertung ausklammern? Was ist mit Zigarettenverpackungen oder Waffendesign? „Für mich hat Design wirklich Erfolg, wenn es zu einem Gespräch zwischen zwei Menschen anregt. Meiner Meinung nach ist es auch möglich, Objekte dazu zu verwenden, uns zum gegenseitigen Verständnis zu ermutigen“, bezieht der französische Designer Philippe Starck Stellung5.

Seit den 90er Jahren sind zunehmend marketingrelevante Überlegungen in die Design-Bewertung von Produkten gerückt. Der Rat für Formgebung etwa nennt als Bewertungskriterien unter anderen auch „Differenzierungsqualität zu Konkurrenzprodukten“ und „Marketingstrategie6“. Die Frankfurter Institution vergibt jährlich im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie die höchste nationale Designauszeichnung, den Designpreis der Bundesrepublik Deutschland. Im Einzelnen werden die eingereichten Produkte in vier Kategorien aufgeteilt und hinterfragt:

Gestaltungsqualität

Gibt es ein klares und eigenständiges Gestaltungskonzept und einen innovativen, ästhetisch und funktional überzeugenden Einsatz der gestalterischen Mittel?

Gebrauchswert

Ausgezeichnete Produkte müssen hohe Gebrauchstauglichkeit und einwandfreies Funktionieren aufweisen. Sie müssen sicher zu bedienen sein. Die Gebrauchsweise des Produktes muss klar visualisiert sein. Ästhetische und physische Lebensdauer stimmen überein.

Technische Qualitäten

Verwendung zeitgemäßer Medien, Materialien und Technologien, technische Prinzipien und Funktionen, Detail- und Verarbeitungsqualität.

Gesamtkonzept

Das Produkt soll sinnlich-geistig stimulierend sein und Erlebnisqualität bieten. Es muss Differenzierungsqualität zu Konkurrenzprodukten haben und in eine Marketingstrategie eingebunden sein. Umfeldbezug und Preisniveau sollen stimmen.

Bewertung von Design

Allgemeine Prüfkriterien für Design kann es nicht geben, dazu sind die Produkte und Anforderungen zu unterschiedlich. Zehn Thesen des renommierten Designers und Hochschullehrers Herbert Lindinger finden bei der jährlichen Designerauszeichnung durch die Jury des weit beachteten Industrie Forum Design Hannover e. V, Berücksichtigung und können helfen, für jeweils spezifische Produkte eigene Bewertungsmaßstäbe zu entwickeln.
An beliebigen Produktbeispielen aus unserem Alltag können die verlangten Eigenschaften überprüft, verändert oder ergänzt werden. Die Diskussion in der Lerngruppe, vielleicht im Rahmen eines kleinen Designwettbewerbs “Tops und Flops”, wird neue Einsichten hervorrufen.

Kriterien für eine Designauszeichnung von Industrieprodukten.

Produkte oder Produktsysteme von überragender Designqualität zeichnen sich durch eine Reihe von Eigenschaften aus:

1. Praktischer Nutzen
Hohe Gebrauchstauglichkeit und einwandfreies Funktionieren.

2. Ausreichende Sicherheit
Erfüllung einschlägiger Sicherheitsvorschriften und bestehender Leistungsnormen sowie Berücksichtigung von flüchtigem und unachtsamem Gebrauch (Narrensicherheit). Eliminierung von Verletzungsgefahren beim Bedienen.

3. Lebensdauer und Gültigkeit
Übereinstimmung von ästhetisch und physisch angemessener Lebensdauer.

4. Ergonomische Anpassung
Anpassung des Gegenstandes an die physischen Gegebenheiten der Benutzer (leichte Bedien- und Ablesbarkeit, geeignete Arbeitshöhen, Greifweiten, Komfort, Vermeidung von unnötiger und belastender Ermüdung). Visuelle Störungsfreiheit (Vermeidung von Irritationen, Blendung und visueller Fehlinformation).

5. Technische und formale Eigenständigkeit
Vermeidung von Nachahmungen (Plagiat).

6. Umfeld-Beziehungen
Der Gegenstand soll in Funktion und Gestalt nicht nur für sich, sondern auch in zwischengegenständlicher Beziehung, d. h. in seiner späteren Produkt-Nachbarschaft, sinnvoll sein. Angemessenheit des Aufwands an Formen, Farben, Materialqualitäten in Bezug auf Gebrauch und Stellenwert des Produktes.

7. Umweltfreundlichkeit
Energie- und ressourcenschonend in Herstellung und Gebrauch, abfallarm und recyclinggerecht.

8. Gebrauchsvisualisierung
Die Form des Produktes soll nach Möglichkeit informieren über Funktion und Nutzung des Objektes und seiner Teile, um seine Handhabung zu erleichtern oder um seinem Sinn Ausdruck zu verleihen.

9. Hohe Gestaltungsqualitäten
Überzeugender struktureller Aufbau, Erkennbarkeit des beabsichtigten Gestaltungsprinzips, z. B. bewusste Schalen- oder Skelettbauweise u. ä. Augenscheinliche Beziehung des Ganzen zu seinen Teilen hinsichtlich Formen, Volumen, Maßen, Farben, Materialqualitäten, Produktgrafik, Durchgängigkeit von einmal gewählten Konstruktions- und Gestaltungsprinzipien (formale Konsequenz). Prägnanz und Eindeutigkeit der Gestaltungselemente, z. B. Formüberg.nge, Kontraste von Formen, Farben und Schriften, Proportionen. Ästhetisch sinnvolle Gliederung im Einklang mit Herstellung, Montage, Nutzung und Wartung der Teile. Logik der Form hinsichtlich des verwendeten Materials, des jeweiligen Herstellungsverfahrens und Gebrauchs.

10. Eine sinnlich-geistige Stimulanz
Eine Gesamtwirkung, die den Nutzer animiert, erfreut, seine Sinne stimuliert, dort, wo es sinnvoll ist, seine Neugierde weckt, zum Spielen oder eigenem Gestalten anregt, die Lust an Witz, Ironie oder Verfremdung anspricht. Kurzum eine Form, die zu einer Identifikation führen kann. Je nach Objekt und Branche werden diese Kriterien meist von produktspezifischen ergänzt. Auch ihre Bedeutung bzw. Gewichtung hängt von der Funktion der Objekte ab. Sie wird z. B. bei einer Blumenvase oder einem M.belstück anders ausfallen als bei der Einrichtung einer Intensiv- Station. Zudem sollte betont werden, dass diese Wertmaßstäbe einer langsamen, aber stetigen Veränderung unterliegen. Industrieprodukte entstehen in einem Spannungsfeld zwischen technischem Fortschritt, sozialem Wandel, ökonomischen Gegebenheiten und den Entwicklungen in Künsten, Architektur und Design.

Praktische Funktionen

Als praktische Funktionen gelten alle Relationen zwischen einem Produkt und einem Benutzer, die auf unmittelbar körperlich-organischen, also physiologischen Wirkungen beruhen. Daraus abgeleitet könnte definiert werden:
Praktische Funktionen von Produkten sind alle physiologischen Aspekte des Gebrauchs.
Diese Aussage soll am Beispiel Stuhl verdeutlicht werden. Durch die praktischen Funktionen eines Stuhles wird das physische Bedürfnis des Benutzers befriedigt, dem Körper eine Position zu ermöglichen, die der physiologischen Ermüdung weitgehend vorbeugt. Hier einige praktische Funktionen eines Stuhles, welche durch die gleichzeitige Erfahrbarkeit die Befriedigung dieses Bedürfnisses ermöglichen:
Die Sitzfläche nimmt das Körpergewicht des Benutzers auf. Der Effekt der kalten Fü.e, der durch Druckbelastung der Oberschenkel und mangelnde Durchblutung der Beine entsteht, wird durch eine starke Abrundung der vorderen Sitzkante weitgehend verhindert. Die Rückenlehne stützt die Wirbelsäule und entlastet die Rückenmuskulatur. Sitzfläche und Rückenlehne gemeinsam erlauben, dass durch die Entlastung der Bein- und Rückenmuskulatur der Blutkreislauf sinkt, Energie eingespart wird. Eine ausreichende Sitzbreite erlaubt Bewegungsfreiheit und Veränderung der Sitzposition, zwei Aspekte, die ein frühzeitiges Ermüden des Gesäßes verhindern. Die Armlehnen stützen die Arme und ermöglichen eine aufrechte Sitzhaltung. Eine Polsterung der Sitz- und Rückenfl.che ermöglicht Belüftung der belasteten Körperpartien, dadurch wird starke Schweißbildung an diesen Stellen verhindert. Bei der Entwicklung von Industrieprodukten haben die physiologischen Aspekte der menschlichen Existenz besondere Bedeutung. Wichtigstes Ziel der Produktentwicklung ist es, die Produkte mit praktischen Funktionen auszustatten, damit durch den Gebrauch der Produkte die physischen Bedürfnisse gedeckt werden können. Die praktischen Funktionen der Produkte stellen also die grundlegenden Existenzbedingungen des Menschen sicher, erhalten die physische Gesundheit im Gebrauchsvorgang.

Nun haben aber alle materiellen, gegenständlichen Produkte unserer Umwelt eine Erscheinungsform, die durch den menschlichen Wahrnehmungsvorgang erfahrbar wird und auf unsere Psyche wirkt. Daher ist es für die psychische Gesundheit des Menschen von entscheidender Wichtigkeit, dass diese gegenständliche, künstlich erzeugte Umwelt den menschlichen Wahrnehmungsbedingungen entsprechend optimiert wird, damit sich der Benutzer von Industrieprodukten z. B. mit diesen identifizieren, damit er sie psychisch besetzen kann. Der sinnliche Gebrauch der Industrieprodukte (Gebrauch mit den Sinnen, vorwiegend visueller, haptischer und akustischer Gebrauch!) wird durch die ästhetische Funktion der Produkte ermöglicht.

Industrieprodukte als Symbole

… Ein Symbol ist ein Bedeutungsträger, ein sichtbares Zeichen, welches meist für nicht direkt wahrnehmbare Zusammenhänge steht. Dabei kann das Symbol einmal ein Gebilde sein, dem von einer bestimmten Gruppe von Menschen ein besonderer Sinn verliehen wurde. Diese Symbole werden als künstliche Symbole bezeichnet, weil sie auf Konventionen beruhen. Zum anderen kann ein Symbol für einen Menschen eine individuelle Bedeutung haben, die dem Mitmenschen nicht verständlich ist. Diese werden als natürliche Symbole bezeichnet, weil deren Wirkung durch individuelle assoziative Verknüpfungen von Phänomenen zustande kommt. Auch unsere Industrieprodukte mit vorwiegend praktischen Funktionen haben unvermeidlich symbolische Funktionen, die, wie schon festgestellt wurde, in hohem Maße durch ästhetische Dimensionen der Produktgestalt beeinflusst sind. Industrieprodukte als Symbole verdeutlichen nicht den Wert, sondern den Stellenwert des Menschen in Bezug auf die gesellschaftliche Ordnung. Diese Symbole ordnen in einer anonym gewordenen Gesellschaft die Beziehungen der Menschen zueinander, sie sind die Zeichen für das Verhalten. Der Mann im schnellen Auto signalisiert durch die visuelle Erscheinung des Fahrzeugs, dass der andere zu weichen hat. Die Produkte als Symbole müssen zudem Auskunft geben, ob der nicht mehr persönlich bekannte andere oberhalb, unterhalb oder auf der gleichen gesellschaftlichen Ebene steht.

Statusprodukte

Industrieprodukte, die für eine soziale Schicht von Benutzern typisch sind, können diese Schicht symbolisieren, werden zum Symbol des sozialen Status. Das Industrieprodukt wird dann zum Bedeutungsträger, der etwas über die Lebensgewohnheiten derer aussagt, die sich mit dem Produkt identifizieren und es benutzen. Es kann eine Aussage machen über Art des Berufes, Höhe des Einkommens, Stand der Bildung usw. Statusprodukte sind also solche Produkte, die die gesellschaftliche Stellung des Benutzers oder sein Streben danach anzeigen. Hierbei wäre die schon angesprochene Identität der Lebensform der Menschen mit der Erscheinungsform der Produkte gegeben. Die Produkte entsprechen dabei genau der Art der Bedürfnisbefriedigung, die durch statusbildende Faktoren beeinflusst wird. Die Produkte, die vorwiegend von Angehörigen der Oberschicht benutzt werden, unterscheiden sich häufig von den Produkten der Mittel- und Unterschicht.
… Ein Industrieprodukt wird erst dann Symbol eines sozialen Status, wenn es für die übrigen Gesellschaftsmitglieder wahrnehmbar ist. In besonderer Weise sind Industrieprodukte als Statussymbole geeignet, wenn sich der Besitzer mit ihnen zusammen in der Öffentlichkeit zeigen kann. Das Automobil ist daher eines der geeignetsten Produkte, um die gesellschaftliche Stellung des Besitzers anzuzeigen. Produkte, die vorwiegend im Privatbereich benutzt werden, haben eine geringere Öffentlichkeitswirkung und ermöglichen die Demonstration des eigenen Status nur im Bekanntenkreis. Ein Statusprodukt kann auch ohne den Besitzer wirksam werden, wie z. B. das Schwimmbad hinter dem Bungalow. Gesellschaftliche Normen schreiben den Angehörigen einer Gruppe oft den Besitz bestimmter Produkte (als Statussymbole) vor, z. B. muss das Mitglied eines exklusiven Reitclubs entsprechende Kleidung tragen und ein eigenes Pferd besitzen. Wer diese Normen nicht beachtet, kann mit Sanktionen rechnen, die bis zum Ausschluss aus der Gruppe führen können. Mitglieder einer sozialen Schicht entwickeln durch den Gebrauch gleicher Produkte oft eine Solidarität, die sich z. B. darin äußert, dass sich zwei Personen lediglich grü.en, weil sie den gleichen Autotyp fahren. Der Besitz des gleichen Produktes symbolisiert ihnen den gleichen sozialen Status und erzeugt eine Verbundenheit. Als Statussymbole können Industrieprodukte betrachtet werden, die den echten Bedürfnissen von Benutzergruppen entsprechen und deren Erscheinungsform der Lebensform, d. h. der Art der Bedürfnisbefriedigung entspricht. Der echte soziale Status wird dabei durch das Industrieprodukt repräsentiert (auch Repräsentationsprodukt), das beim Mitmenschen ein Prestige, ein Ansehen, welches mit dem Status identisch ist, erzeugt.

Prestigeprodukte

Statusprodukt und Prestigeprodukt scheinen zwei verschiedene Begriffe für ein und dasselbe Phänomen zu sein. Wenn durch den Gebrauch eines Produktes der wirkliche Status des Benutzers angezeigt wird, symbolisiert dasselbe Produkt beim Betrachter gleichzeitig Ansehen, Prestige. Für Benutzer und außenstehende Betrachter ist in diesem Fall dasselbe Produkt gleichzeitig Statusprodukt und Prestigeprodukt. Nun besteht aber z. B. für den Angehörigen einer unteren Schicht die Möglichkeit, durch das Benutzen von Statusprodukten einer höheren sozialen Schicht den Anschein zu erwecken, als gehöre er zu dieser Schicht. Dadurch erhält ein Produkt, welches den Status einer Schicht anzeigt, im Gebrauchsvorgang durch den Angehörigen einer unteren Schicht die Funktion, dessen Prestige zu heben. Aus dem Statusprodukt der oberen Schicht wird das Prestigeprodukt der unteren Schicht. Ein Prestigeprodukt ist also ein Produkt, mit dem ein Wunschstatus symbolisiert werden kann. Es kann also festgehalten werden: Hat ein Produkt primär die Aufgabe, einen vorhandenen Status zu repräsentieren, bietet sich die Verwendung des Begriffs Statusprodukt an. Wenn ein Industrieprodukt aber vorwiegend die Aufgabe hat, ein Ansehen zu prägen, welches mit dem eigentlichen Status nicht identisch ist – z. B. einen höheren Status vorzutäuschen –, dann wäre es sinnvoll, den Begriff Prestigeprodukt zu verwenden.

Es besteht natürlich auch für den Angehörigen einer höheren Schicht die Möglichkeit, durch den Gebrauch von Statusprodukten einer tieferen Schicht den Anschein zu erwecken, als gehöre er zu dieser. Solches Verhalten wird in unserem Sprachgebrauch als Tiefstapeln bezeichnet. Meist spielen jedoch Prestigeprodukte im sozialen Aufstieg eine wichtige Rolle, weil deren Besitz der erste konstituierende Faktor eines höheren Status sein kann. Das Benutzen der Statussymbole einer höheren Schicht alleine führt allerdings noch nicht zu einem Wechsel in diese Schicht… Die Bedeutung von Statusprodukten in der Verwendung als Prestigeprodukte wird in ihrer Wirkung abnehmen, sobald sich der Käuferkreis erheblich über die ehemalige Bezugsgruppe hinaus ausweitet. Die Wirkung des Produktes kann dann sogar ins Negative umschlagen. Die Reaktion der Besitzer eines höheren Status, die sich ihrer Statusprodukte beraubt sehen, kann sich dann so entwickeln, dass sich diese Gruppe neuen, unverbrauchten, bis dahin seltenen Produkten zuwendet.

Designfunktionen

Funktionen – Welche Aufgaben erfüllt ein Produkt?

Was Design bedeutet ist je nach Blickwinkel unterschiedlich. Der Designer [1] möchte über das ökonomische Interesse hinaus ein Produkt mit möglichst kreativer Freiheit gestalten, seine Designaufgabe optimal erfüllen und seine Kreation am Ende in den Verkaufsregalen sehen. Für den Produzenten sollen Produkte Kaufbereitschaft erzeugen und den Absatz steigern. Dabei ist die Unterscheidung von der Konkurrenz essentiell. Das Design der Produktpalette muss dazu so gestaltet sein, dass es das Markenimage unterstützt bzw. profiliert. Idealerweise sollen Produkte im Unternehmen weitere Rationalisierung ermöglichen und so entworfen sein, dass sie Ressourcen schonen. Designer und Produzenten sind sich darüber im Klaren, dass die Form eines Objektes eine entscheidende Rolle spielt. Jenseits von Funktionen wird sie zuerst wahrgenommen. Noch bevor sich die Benutzbarkeit des Produktes erweisen kann, entsteht durch die visuelle Wahrnehmung der Form eine emotionale Wirkung. Sie spricht an – oder nicht. Der potentielle Käufer erhält ein ästhetisches Versprechen, das er erst im zweiten Schritt, manchmal sogar erst nach dem Kauf, praktisch überprüfen kann.

Die Gebraucherperspektive

Für jeden Benutzer haben Gegenstände hochkomplexe Bedeutungen. Neue Produkte beispielsweise sollen zu vertrauten passen und sich in den Lebensstil der Benutzer einfügen. Mit Hilfe der Dinge wird Ordnung [2] geschaffen, sie verbessern den Gebrauchsnutzen und ermöglichen die Identifikation mit sozialen Milieus und gesellschaftlichen Idealen1. Dementsprechend beinhaltet ein Gegenstand ein ganzes Bündel an Funktionen, von der praktischen Funktion des Gebrauchs bis zur symbolischen Funktion des Prestiges. Dieses komplexe Beziehungsgeflecht zwischen Mensch und Gegenstand lässt sich grob in rationale und emotionale Aspekte [3] teilen, die sich meistens überschneiden. Da sie nicht voneinander zu trennen sind, muss man sie als gleichwertig anerkennen. Selbst ein so simpler Gegenstand wie ein Weinflaschen-Korken beinhaltet rationale und emotionale Funktionen. Über die praktische Funktion des Verschlusses hinaus bietet der Korken sinnliches Erleben und soziale Botschaft. Ist der Korken aus Plastik? Aus Korkschnipseln? Aus Vollkorken? Weinkenner schließen vom Material des Verschlusses auf die Qualität der Weine eines Gastgebers und dementsprechend auf den Wert, den dieser dem Ritual Wein trinken beimisst.

Bei manchen Produkten steht sein Zweck nur scheinbar im Vordergrund. Tatsächlich geht es um die Befriedigung emotionaler Bedürfnisse. Armbanduhren etwa weisen nicht selten technische Funktionen und Merkmale auf, die eher im Hinblick auf den emotionalen Nutzen hin kreiert wurden (z.B. Mondphasenanzeige, extreme Ganggenauigkeit, Wasserdruckresistenz, hoch komplizierte Mechanik). Je komplexer ein Produkt aufgebaut ist, desto verwischter sind seine einzelnen Funktionen. Ein Auto besteht aus vielen verschiedenen Einzelkomponenten wie Bremsen, Lenkrad, Polsterung, Markenemblem, Verriegelung etc. Jeder Bestandteil hat einen anderen Schwerpunkt im rational-emotionalen Funktionsgefüge. Fahrzeugbremsen sollen in erster Linie technisch einwandfrei funktionieren, während das Markenemblem primär symbolische Aussagekraft hat.
Am Beispiel von Produkten des Schreibgeräteherstellers Lamy werden die einzelnen Designfunktionen im Folgenden auf ihren Nutzen für den Gebraucher hin beleuchtet.
Lamys Produkte gliedern sich heute in Schreibgeräte für Kinder und Jugendliche und in solche für Erwachsene. Lamy-Käufer finden sich hauptsächlich unter den modern eingestellten Anhängern klarer Formen. Sie verfügen über ein mittleres bis hohes Einkommen und haben ein Faible für technische Innovationen und Understatement.

RATIONALE FUNKTONEN

Rationale Funktionen lassen sich im Gegensatz zu emotionalen Funktionen präzise benennen und beschreiben. Hier geht es pragmatisch um Benutzung und Ökonomie aus der Sicht des Gebrauchers.

Technisch-praktische Funktionen (Benutzen)

Handhabbarkeit, Haltbarkeit, Zuverlässigkeit, Sicherheit, Technische Qualität, Ergonomie und ökologischer Wert2 – Wird ein Produkt als „funktional“ bezeichnet meint man damit meist, dass es die Kriterien der technisch-praktischen Funktionen [4] erfüllt.
Ein solch funktionales Gerät ist der Schreiblern-Füller „Lamy ABC“. 1987 fand das Schreibgeräteunternehmen, dass es bislang keinen wirklich kindgerechten Einstiegsfüller für ABC-Schützen gab. Im Entstehungsprozess von Pädagogen begleitet entwickelte Lamy daraufhin ein „Schreiblernsystem“. Es besteht aus einen Bleiminenstift mit robuster Mine, der den Übergang vom Buntstift zum Füller ebnen soll. Nach dieser Vorbereitung können Schulanfänger unkompliziert auf den LamySchreiblernfüller ABC umsteigen, nicht zuletzt, weil er in derselben Form gestaltet wurde. Diese besteht aus Holzschaft und robuster Kunststoffkappe, die in Material und Farbe an Spielzeug erinnern soll. Würfelförmige Abschlüsse dienen als Wegrollbremsen. Ergonomische Griffstücke bieten der Kinderhand Halt. Die funktionale Gestaltung des „ABC-Schreiblernsystems“ brachte Lamy bis 2002 eine sehr hohe Marktdurchdringung.

Wirtschaftliche Funktionen (Besitzen)

Dieser Komplex dreht sich um Fragen wie: Wie hoch ist der Kaufpreis des Produktes, wie ist das Preis- / Leistungsverhältnis, was kostet der Unterhalt des Produktes, wie hoch ist der Wiederverkaufswert?

EMOTIONALE FUNKTIONEN

Lassen sich rationale Funktionen relativ klar benennen, sind die emotionalen Funktionen eines Produktes sehr viel schwerer zu fassen. Sie sind subjektiv, amorph und bieten breiten Spielraum für Interpretationen. Prinzipiell kann jeder Gegenstand aus vielfältigen Gründen für einen Menschen bedeutungsvoll sein. Dieser selektiert aus der Flut der Produkte, nicht nur, was er praktisch braucht, sondern was für ihn auch emotional „brauchbar“ ist. Kurz, was ihm ein gutes Gefühl gibt. Für andere ist seine Wahl womöglich abwegig. Die uralte Diskussion um ästhetische oder soziale Bewertungen, wie z.B. schön oder hässlich, geschmackvoll oder vulgär, erwächst nicht aus rationalen Funktionen; sondern aus dem unterschiedlichen individuellen Pool emotionaler Bedeutungen.

Ästhetische Funktionen (Ansehen)

Die Gestalt [5] eines Produktes hat eine ganz besondere Bedeutung. Gefällt uns die Form nicht, werden wir dem Produkt kaum Chance geben, auch wenn es noch so praktisch ist. Die Form mit ihren Gestaltelementen [6] gibt visuelle Hinweise auf die Funktion. Formen sprechen uns aber vor allem emotional an. Sie können unser rationales Urteilsvermögen benebeln, sie können uns aber auch veranlassen, bewusst Abstriche bei den rationalen Funktionen hinzunehmen.

Form, [7] Farbe, [8] Material [9] und Oberfläche [10] sind die Faktoren, die die Gestalt eines Produktes bestimmen. Oft wird Form synonym für die Gestalt, das Aussehen benutzt. Auch der griffige Leitsatz „Die Form folgt der Funktion“ meint eigentlich, dass die Ästhetik dem praktischen Zweck folgt. Denn auch Farbe, Material und Oberfläche sind je nach geplanter Verwendung mit Bedacht gewählt, z.B. Warnfarben oder solche, die sich unauffällig in ein Ambiente einfügen sollen. Soll Luftwiderstand verringert werden, wird man glatte statt raue Materialien verwenden. Geht es darum, Gewicht zu sparen, z.B. bei einem Rucksack, wird dies Einfluss auf die Materialwahl haben. Die wiederum beeinflusst die gesamte Formgebung, von der Haptik über verarbeitungsbedingte Formdetails (z.B. Versteifungen) bis hin zur Farbgebung („leichte“ Farben oder „schwere“, die trotz Leichtigkeit Robustheit suggerieren sollen).

Die ästhetische Beurteilung von Produkten ist abhängig von verschiedensten Faktoren: von den ästhetischen Vorlieben der sozialen Schicht, Nationalität, dem Geschlecht und Alter. Und von Gewöhnung. Wir neigen dazu, alles was wir sehen, sofort zu bewerten. Darunter versteht allerdings jeder etwas anderes.

– Soziale Konditionierung: Der französische Soziologe Pierre Bourdieu belegte Ende der 60er Jahre mit Hilfe empirischer Untersuchungen, dass Kultur ein Unterscheidungsmerkmal für soziale Differenzen darstellt, dessen Mechanismen unbewusst bleiben3. Demnach ist Geschmack das Ergebnis sozialer Konditionierung und damit abhängig von der jeweiligen sozialen Schicht, in der Menschen aufwachsen.

– Nationalitäten: Bekanntermaßen gibt es in anderen Ländern andere Geschmacksvorlieben. Das Schreiben mit dem Füller etwa ist in südeuropäischen Ländern eher als in Deutschland mit einem Design verbunden, das an traditionelle Schreibgeräte in Schwarz mit goldfarbenem Dekor und Goldfeder erinnert.

– Alter und Geschlecht: In jungen Jahren liebt man es eher bunter, in zunehmendem Alter mag man es dezent. Jeder kann solche Geschmackstendenzen in seinem Bekanntenkreis beobachten. Ebenso, dass Frauen nicht selten andere ästhetische Vorlieben haben als Männer.

– Gewöhnung: Die Ästhetik eines Produktes kann bei seiner Markteinführung so ungewohnt sein, dass die Neuheit erst einmal floppt. Als das Mikroauto „Smart“ 1994 eingeführt wurde, sorgte es mit seinem unkonventionellen und bunten Design für viel Aufsehen, jedoch für keinen kommerziellen Erfolg. Wegen der geringen Nachfrage mussten die Verkaufserwartungen immer weiter reduziert werden. Das Management erwog schließlich sogar die Einstellung der „Smart“-Produktion. Heute erfreut sich der Zweisitzer wachsender Beliebtheit. Er ist auch ästhetisch längst angenommen. Allerdings erleichterte das Unternehmen die Kaufentscheidung durch Preisreduzierung und vielseitigere Ausstattungsmöglichkeiten, z.B. eine dezente Farbpalette, die es bei der Markteinführung nicht gab.

Symbolische Funktionen (Zeigen)

Symbolische Funktionen [11] von Designobjekten beziehen sich auf den Menschen als Besitzer der Dinge und geben ihnen verschlüsselte Bedeutungen. Durch die Wahl seines Besitzes oder auch dadurch, welche Dinge er nicht besitzt, gibt der Mensch anderen fortwährend Zeichen, [12] die diese entschlüsseln. Auf der kulturellen Ebene verschreibt er sich bestimmten Traditionen und Ritualen (z.B. Art des Essens und Tischsitten). Auf sozialer Ebene geht es um Gruppenzugehörigkeit und um Status, und auf individueller Ebene um die Gefühlsbindung an Objekte. Design ist gewissermaßen eine von mehreren möglichen Sprachen, die über verschiedenste Lebensstile und –auffassungen Auskunft gegen können. Klare, sachliche Gestaltung zum Beispiel steht für Aufgeschlossenheit, Modernität und Fortschritt. Sie ist Zeichen eines Lebensgefühls, dem sein Besitzer Ausdruck verleiht. Diese Zeichen werden von den Mitmenschen entsprechend ihrer Erfahrungen interpretiert. Ändert sich das Lebensgefühl durch individuelle Faktoren (z.B. beruflicher Aufstieg) oder gesellschaftliche Veränderungen (z.B. wirtschaftliche oder politische Krisen), kann es dazu kommen, dass derjenige, der noch zuvor Puristisches bevorzugte, sich nun in eine andere ästhetische Richtung bewegt, sein Geschmack zum Beispiel experimenteller oder konservativer wird.

Symbolisch-soziale Funktion:

1966 brachte das kleine Familienunternehmen Lamy den „Lamy 2000“ heraus, ein Füller mit technischen Neuheiten. Innovativ die Materialkombination aus mattem Kunststoff plus gebürsteten Edelstahl. Der ganz aus Edelstahl gefertigte Clip war federgelagert, auch das ein technisches Novum. Im Vergleich zu damaligen Füllern fiel der „Lamy 2000“ jedoch vor allem durch sein ungewöhnlich schlichtes und kühles Design auf. Marktuntersuchungen ergaben, dass besonders Männer mittleren Alters mit Sinn für Understatement die klare Spindelform als Zeichen ihrer modernen und fortschrittlichen Lebensauffassung schätzten. Lamy hatte mit dem klaren Design seines neuen Produktes eine ästhetische wie symbolische Lücke geschlossen, denn Unternehmenschef Manfred Lamy hatte erkannt: „Produkte müssen sich auch eignen zur sozialen Identifikation und Kommunikation. Damit werden sie zu Symbolen der Selbstdarstellung – der realen und der vortäuschenden – und zu Erkennungszeichen der erwünschten sozialen Einstufung.“ Damit verweist Lamy auf das bei jedem Menschen mehr oder weniger bewusste Bedürfnis, innerhalb seiner Gruppe (Familie, Freunde, Geschäftspartner) anerkannt zu sein. Gruppenzugehörigkeit kann durch für die Gruppe typische Produkte symbolisiert werden (Statusprodukte). Außerdem tendiert der Mensch dazu, sich mit Produkten der nächst höheren Schicht zu umgeben (Prestigeprodukte). In den unterschiedlichen sozialen Gruppen geht die Meinung allerdings darüber auseinander, was prestigeträchtig ist (siehe Pierre Bourdieu). Die einen beurteilen z.B. diamantbesetzte Füllfederhalter mit üppigem Golddekor als vornehmkostbar und konservativ, andere wiederum als protzig-vulgär.

Symbolisch-kulturelle Funktion:

Mit dem was er besitzt und benutzt, ordnet sich der Mensch bewusst und unbewusst als kulturelles Wesen ein und dokumentiert gleichzeitig den jeweiligen Zeitgeist. Im Zuge der wachsenden Computerisierung beispielsweise wurde vor einigen Jahren das Schreiben mit dem Füller wieder entdeckt, vielleicht weil man befürchtete, das Jahrhunderte alte, handschriftliche Schreiben mit seinem individuellen Ausdruck würde mit der modernen Datenverarbeitung untergehen. Mit Füllern im traditionellen Design, oft federartig verlängert und mit Breitbandfeder, wiesen ihre Besitzer besonders deutlich auf ihr Traditionsbewusstsein über das kulturelle Erbe des Schreibens hin.

Symbolisch-individuelle Funktion:

Erbstücke, Sammlerobjekte, einst heiß geliebte Teddybären – viele unserer Gegenstände repräsentieren individuelle Erfahrungen und Erinnerungen, die wir dokumentieren wollen oder von denen wir uns zumindest nicht trennen können, weil eine persönliche Gefühlsbindung zwischen Mensch und Gegenstand besteht. Gleichzeitig haben wir das Bedürfnis, innerhalb unserer industriell geprägten Umwelt Individualität auch über Produkte zu erleben. Lamy kreierte nicht zuletzt die Schreibgeräte-Serie „accent“, um dem Bedürfnis nach einem möglichst persönlichen Industrieprodukt nachzukommen. Austauschbare Griffstücke im Baukastenprinzip sollen individuelle ästhetische Wahlmöglichkeiten bieten.

Material

Wie bereits angedeutet wurde, wird die Gestalt eines Industrieproduktes nie allein von der ästhetischen Absicht des Industrial Designers im Hinblick auf den möglichen Benutzer beeinflusst, sondern in hohem Maße durch verwendete Materialien und deren ökonomischste Verarbeitungsverfahren. Eines der Hauptkriterien industrieller Produktion ist der ökonomische Einsatz entsprechend geeigneter Materialien… So sind die Wahl eines geeigneten Materials für ein Produkt (u. a. auch ein ästhetisches Problem) und dessen Verarbeitung primär von wirtschaftlichen Gesichtspunkten abhängig. Zum Beispiel wird ein bestimmtes Material, welches aus gewinnvermehrenden Motiven verkauft werden soll, in verschiedenen Produktionsbereichen zum produktbestimmenden Faktor. Der Industrial Designer erhält in der Rolle des Materialverkaufsförderers die Aufgabe, Produktideen zu entwickeln, bei deren Realisation das bestimmte Material zur Anwendung kommen muss. Die Auswahl des Materials geschieht dabei nicht aus dem Grund, weil es sich für die Herstellung eines Produktes bzw. für die beabsichtigte ästhetische Wirkung eignet, sondern aus verkaufsfördernden Gründen. Daran soll deutlich werden, dass die Auswahl von Gestaltelementen nicht ausschließlich nach ästhetischen Kriterien in Orientierung am Benutzer erfolgt.

Gestaltelemente

Die ästhetischen Eigenschaften der Gestalt eines Industrieproduktes sind durch die Gestaltelemente bestimmt. Diese Gestaltelemente können nach Makroelementen und Mikroelementen unterschieden werden. Makroelemente sind solche, die beim Wahrnehmungsvorgang oft bewusst wahrgenommen werden wie Form, Material, Oberfläche, Farbe usw., wodurch die Gestalt im wesentlichen bestimmt wird. Mikroelemente sind solche, die nicht unmittelbar beim Wahrnehmungsvorgang in Erscheinung treten, allerdings auch den Gesamteindruck der Gestalt mitprägen. An einem Industrieprodukt wären dies beispielsweise kleine Schrauben, Trennfugen an Bauteilen oder Nietköpfe.
Die Gestaltelemente können als Träger der ästhetischen Information eines Produktes bezeichnet werden… Dem Industrial Designer müssen die mit den Gestaltelementen zu erzielenden Wirkungen durch Experimentieren klar werden, denn nur aufgrund solcher Erfahrungen ist es möglich, durch Addition von Gestaltelementen gewollte Wirkungen zu erreichen. Damit wird auch verständlich, dass ein Student des Industrial Designs nicht durch Aneignen von Wissen allein ein fähiger Gestalter wird, sondern es muss die Möglichkeit bestehen, durch Gestaltungsexperimente zu erfahren, welche Wirkungen mit welchen Gestaltelementen erreichbar sind. Durch die Anordnung der Gestaltelemente zu einem Industrieprodukt unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der Ästhetischen Wahrnehmung kann bewirkt werden, dass solche Produkte beim Gebrauchs- bzw. Wahrnehmungsvorgang den menschlichen Sinnen zugänglicher werden. Gestaltelemente besitzen unabhängig von der Gestalt wenig Bedeutung. Diese entsteht erst durch deren Addition. In einen neuen Zusammenhang gebracht, ergibt die Kombination der gleichen Elemente eine völlig andere Bedeutung.