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Industrieprodukte als Symbole

… Ein Symbol ist ein Bedeutungsträger, ein sichtbares Zeichen, welches meist für nicht direkt wahrnehmbare Zusammenhänge steht. Dabei kann das Symbol einmal ein Gebilde sein, dem von einer bestimmten Gruppe von Menschen ein besonderer Sinn verliehen wurde. Diese Symbole werden als künstliche Symbole bezeichnet, weil sie auf Konventionen beruhen. Zum anderen kann ein Symbol für einen Menschen eine individuelle Bedeutung haben, die dem Mitmenschen nicht verständlich ist. Diese werden als natürliche Symbole bezeichnet, weil deren Wirkung durch individuelle assoziative Verknüpfungen von Phänomenen zustande kommt. Auch unsere Industrieprodukte mit vorwiegend praktischen Funktionen haben unvermeidlich symbolische Funktionen, die, wie schon festgestellt wurde, in hohem Maße durch ästhetische Dimensionen der Produktgestalt beeinflusst sind. Industrieprodukte als Symbole verdeutlichen nicht den Wert, sondern den Stellenwert des Menschen in Bezug auf die gesellschaftliche Ordnung. Diese Symbole ordnen in einer anonym gewordenen Gesellschaft die Beziehungen der Menschen zueinander, sie sind die Zeichen für das Verhalten. Der Mann im schnellen Auto signalisiert durch die visuelle Erscheinung des Fahrzeugs, dass der andere zu weichen hat. Die Produkte als Symbole müssen zudem Auskunft geben, ob der nicht mehr persönlich bekannte andere oberhalb, unterhalb oder auf der gleichen gesellschaftlichen Ebene steht.

Statusprodukte

Industrieprodukte, die für eine soziale Schicht von Benutzern typisch sind, können diese Schicht symbolisieren, werden zum Symbol des sozialen Status. Das Industrieprodukt wird dann zum Bedeutungsträger, der etwas über die Lebensgewohnheiten derer aussagt, die sich mit dem Produkt identifizieren und es benutzen. Es kann eine Aussage machen über Art des Berufes, Höhe des Einkommens, Stand der Bildung usw. Statusprodukte sind also solche Produkte, die die gesellschaftliche Stellung des Benutzers oder sein Streben danach anzeigen. Hierbei wäre die schon angesprochene Identität der Lebensform der Menschen mit der Erscheinungsform der Produkte gegeben. Die Produkte entsprechen dabei genau der Art der Bedürfnisbefriedigung, die durch statusbildende Faktoren beeinflusst wird. Die Produkte, die vorwiegend von Angehörigen der Oberschicht benutzt werden, unterscheiden sich häufig von den Produkten der Mittel- und Unterschicht.
… Ein Industrieprodukt wird erst dann Symbol eines sozialen Status, wenn es für die übrigen Gesellschaftsmitglieder wahrnehmbar ist. In besonderer Weise sind Industrieprodukte als Statussymbole geeignet, wenn sich der Besitzer mit ihnen zusammen in der Öffentlichkeit zeigen kann. Das Automobil ist daher eines der geeignetsten Produkte, um die gesellschaftliche Stellung des Besitzers anzuzeigen. Produkte, die vorwiegend im Privatbereich benutzt werden, haben eine geringere Öffentlichkeitswirkung und ermöglichen die Demonstration des eigenen Status nur im Bekanntenkreis. Ein Statusprodukt kann auch ohne den Besitzer wirksam werden, wie z. B. das Schwimmbad hinter dem Bungalow. Gesellschaftliche Normen schreiben den Angehörigen einer Gruppe oft den Besitz bestimmter Produkte (als Statussymbole) vor, z. B. muss das Mitglied eines exklusiven Reitclubs entsprechende Kleidung tragen und ein eigenes Pferd besitzen. Wer diese Normen nicht beachtet, kann mit Sanktionen rechnen, die bis zum Ausschluss aus der Gruppe führen können. Mitglieder einer sozialen Schicht entwickeln durch den Gebrauch gleicher Produkte oft eine Solidarität, die sich z. B. darin äußert, dass sich zwei Personen lediglich grü.en, weil sie den gleichen Autotyp fahren. Der Besitz des gleichen Produktes symbolisiert ihnen den gleichen sozialen Status und erzeugt eine Verbundenheit. Als Statussymbole können Industrieprodukte betrachtet werden, die den echten Bedürfnissen von Benutzergruppen entsprechen und deren Erscheinungsform der Lebensform, d. h. der Art der Bedürfnisbefriedigung entspricht. Der echte soziale Status wird dabei durch das Industrieprodukt repräsentiert (auch Repräsentationsprodukt), das beim Mitmenschen ein Prestige, ein Ansehen, welches mit dem Status identisch ist, erzeugt.

Prestigeprodukte

Statusprodukt und Prestigeprodukt scheinen zwei verschiedene Begriffe für ein und dasselbe Phänomen zu sein. Wenn durch den Gebrauch eines Produktes der wirkliche Status des Benutzers angezeigt wird, symbolisiert dasselbe Produkt beim Betrachter gleichzeitig Ansehen, Prestige. Für Benutzer und außenstehende Betrachter ist in diesem Fall dasselbe Produkt gleichzeitig Statusprodukt und Prestigeprodukt. Nun besteht aber z. B. für den Angehörigen einer unteren Schicht die Möglichkeit, durch das Benutzen von Statusprodukten einer höheren sozialen Schicht den Anschein zu erwecken, als gehöre er zu dieser Schicht. Dadurch erhält ein Produkt, welches den Status einer Schicht anzeigt, im Gebrauchsvorgang durch den Angehörigen einer unteren Schicht die Funktion, dessen Prestige zu heben. Aus dem Statusprodukt der oberen Schicht wird das Prestigeprodukt der unteren Schicht. Ein Prestigeprodukt ist also ein Produkt, mit dem ein Wunschstatus symbolisiert werden kann. Es kann also festgehalten werden: Hat ein Produkt primär die Aufgabe, einen vorhandenen Status zu repräsentieren, bietet sich die Verwendung des Begriffs Statusprodukt an. Wenn ein Industrieprodukt aber vorwiegend die Aufgabe hat, ein Ansehen zu prägen, welches mit dem eigentlichen Status nicht identisch ist – z. B. einen höheren Status vorzutäuschen –, dann wäre es sinnvoll, den Begriff Prestigeprodukt zu verwenden.

Es besteht natürlich auch für den Angehörigen einer höheren Schicht die Möglichkeit, durch den Gebrauch von Statusprodukten einer tieferen Schicht den Anschein zu erwecken, als gehöre er zu dieser. Solches Verhalten wird in unserem Sprachgebrauch als Tiefstapeln bezeichnet. Meist spielen jedoch Prestigeprodukte im sozialen Aufstieg eine wichtige Rolle, weil deren Besitz der erste konstituierende Faktor eines höheren Status sein kann. Das Benutzen der Statussymbole einer höheren Schicht alleine führt allerdings noch nicht zu einem Wechsel in diese Schicht… Die Bedeutung von Statusprodukten in der Verwendung als Prestigeprodukte wird in ihrer Wirkung abnehmen, sobald sich der Käuferkreis erheblich über die ehemalige Bezugsgruppe hinaus ausweitet. Die Wirkung des Produktes kann dann sogar ins Negative umschlagen. Die Reaktion der Besitzer eines höheren Status, die sich ihrer Statusprodukte beraubt sehen, kann sich dann so entwickeln, dass sich diese Gruppe neuen, unverbrauchten, bis dahin seltenen Produkten zuwendet.

Autor*in

Löbach, Bernd

Werk

Textauszug aus: „Industrial Design. Grundlagen der Industrieproduktgestaltung“, München 1976

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