Skip to content

Wie die Mikroelektronik zum Design kam

Veränderungen durch Mikroelektronik

In den 1980er Jahren begann der massive Einzug der Mikroelektronik in die Welt der Artefakte, wodurch sich auch das Thema Anzeichenfunktionen gravierend veränderte. Die offensichtlichen, aus der mechanischen Welt stammenden Anzeichen verschwanden immer mehr zu Gunsten digitaler, über so genannte Interfaces zu bedienender Produkte. Diese paradigmatische Veränderung hat dem Design – nach den postmodernen Beliebigkeiten der 1980er Jahre – einen deutlichen Entwicklungsschub verliehen […].
Besonders anschaulich wurde dieser Prozess am Beispiel von CAD (Computer Aided Design). Die Vorstellungswelten von Entwicklern und Konstrukteuren wurden praktisch unmittelbar auf die damals neu aufkommenden Werkzeuge (CAD – Software) übertragen. Problematisch, wenn nicht gar gemeingefährlich wurde es, als diese Vorstellungswelten Einzug in die Geräteentwicklungen für breite Benutzergruppen nahmen, was in den meisten Fällen zu reichlich kryptischen Benutzungsoberflächen führte. In der Folge galt diesen, aber auch den immer mehr benötigten Bedienungsanleitungen, erhöhte Aufmerksamkeit (Bürdek/Schupbach,1992).
Vor einem ganz anderen Hintergrund – nämlich der kognitiven Psychologie – kam der amerikanische Wissenschaftler Donald A. Norman (1989) zu recht überzeugenden Erkenntnissen über die dingliche Umwelt, die unmittelbar unter den Begriff der Anzeichenfunktionen subsumiert werden können. Mannigfaltige Fehlleistungen und Irrtümer im Umgang mit Produkten sind nicht auf menschliches Unvermögen, sondern meistens auf unzureichende Gestaltung zurückzuführen.
Norman verwies insbesondere auf die „schleichende Seuche der Leistungsmerkmale“ – das ist die Tendenz, die Zahl der Funktionen, die ein Gerät erfüllen kann, immer weiter zu erhöhen und bis ins Irrsinnige zu steigern. Dieses Phänomen – auch als „featuritis“ oder „Funktioneninfarkt“ (Fischer, 2001), bezeichnet – wird zunehmend bei Produkten deutlich, die mit Mikroprozessoren ausgestattet sind. Hier können mit geringem finanziellem Aufwand immer mehr Funktionen in einem Produkt realisiert werden, die für den Benutzer gar nicht mehr nachvollziehbar, geschweige denn sinnvoll einzusetzen sind.

Gestaltung von Benutzungsoberflächen

Das führt dazu, dass die Gestaltung von Benutzungsoberflächen (was am Beispiel von Mobiltelefonen oder Software ganz allgemein sehr deutlich wird), immer mehr zu einem entscheidenden Kaufkriterium wird. Somit steht jenseits des eigentlichen Hardware-Designs die Gestaltung der dahinter liegenden virtuellen Ebene (also die Gestaltung der Benutzerführung auch Interaktionsdesign – und somit der Zugang zum Leistungsspektrum eines Gerätes) im Vordergrund.
Mittlerweile haben sich die Gestalter für Benutzungsoberflächen schon auf die Unterschiedlichkeiten von Erfahrungen und kulturellen Hintergründen der Anwender eingestellt. Ist es bei der Gestaltung von Hardware noch schwieriger, sich auf die individuellen Bedürfnisse des Benutzers einzustellen, so gibt es schon heute und in Zukunft wesentlich häufiger die Möglichkeit, die Oberflächen, die Zeichen und Symbole, die Sichtbarkeit, die Größen individuell anzupassen. Somit können die Produkte – wie es Peter Eckart von der HfG Offenbach formuliert – gar ein Stück demokratischer, barrierefreier und damit letztlich benutzbarer werden.

Werk

In: Ders.: Geschichte, Theorie und Praxis der Produktgestaltung (3. Aufl.), Basel, Boston, Berlin 2005 (Birkhäuser-Verlag), S.321/322 (mit freundlicher Genehmigung durch Autor und Verlag);

Quellen

Ders./Schuppach, Stephan: Klarheit mit Hypermedia. Human Interface Design: Konstruktion von Benutzereoberflächen. In: KEM Konstruktion Elektronik Maschinenbau, Nr. 7/1992
Fischer, Volker: Emotionen in der Digitale. Eine Phänomenologie elektronischer „devices“. In: Bürdek, E. (Hg.), Der digitale Wahn. Frankfurt am Main 2001

Print Friendly, PDF & Email