Die Lust und Last des Verpackens

Knapp und vieldeutig wie große Literatur beschreibt Paragraph 1 des Abfallgesetzes das Drama des Verbrauchers , der so hilflos-sorglos in den Produkten und Hüllen versinkt, die ihm die Welt bedeuten: “Abfälle… sind bewegliche Sachen, deren sich der Besitzer entledigen will.” Ein Satz, der Fragen aufwirft und Neugier weckt: Wie ist der Besitzer zu den Sachen gekommen? Warum will er sich ihrer so plötzlich und entschieden entledigen, da er doch der Besitzer ist? Wieso sind die Sachen beweglich? Verfolgen sie ihn gar ? Er will sich entledigen, aber kann er auch? Kann dem Manne (?) geholfen werden?

Der Gesetzgeber scheint skeptisch. Guten Mutes ist dagegen die Umgangssprache und jene Abfallstrategen, die den Volksmund neue Worte lehren: Entsorgung ist das Zauberwort. Wenn man sich der beweglichen Sachen schon nicht entledigen kann, so soll man sich doch immerhin der Sorgen entledigen, die sie einem bereiten. Folglich haben wir gelernt, von Entsorgung zu sprechen, statt von Wegwerfen. Das klingt bedacht und verantwortungsvoll, klingt nach einer bewußten Handlung eines mündigen Bürgers, ohne daß diese ihm nachhaltig Sorgen zu bereiten hätte. Das garantiert schon der grüne Punkt, die Lizenz zur unbesorgten Entledigung.
Und so übereignen wir tagtäglich – nicht ohne Skrupel, aber mit Routine – die lästigen Umverpackungen, die Dosen und Hochglanzbroschüren den Wertstoffsäcken und – tonnen der sogenannten Bring- und Holsysteme – geschmeidige Worte für eine Abfallwelt, die immer kreisläufiger und zwangsläufiger zu werden droht.
Doch das Unbehagen bleibt. Wer wollte das leugnen. Seit wir mehr wissen über das komplizierte Vor- und Nachleben der produzierten Güter, ist der Glaube an die totale Entsorgung erschüttert. Voller Wehmut denken wir an an die gute alte Zeit, als man Geschenke noch zwiebelschalenartig verpacken mochte, voller Vorfreude auf die gespannten Gesichter der Adressaten, als schönes Einwickelpapier von den flinken Händen sparsamer Hausfrauen noch feierlich geglättet, Bänder und Schleifen gebügelt und sorgsam verwahrt wurden, als im armen Osten noch edle Verpackungen als Wohlstandsreliquien des Westens auf Borden aufgereiht wurden, als das sorgfältige Fortwerfen von Abfall in öffentlichen Anlagen allein ein Gebot deutscher Sauberkeit und Ordnung und noch kein Akt globaler Unweltverantwortung war.
Nun wissen wir zwar mehr, wissen, daß Papier besser ist als Plastik, Flasche besser als Dose, Abfallvermeidung besser, als Abfalltrennung. Und jedes Kind hat verstanden, daß wir einpacken können, wenn wir mit dem Verpacken nicht bald innehalten.
Doch die Freude an der Verpackung ist geblieben. Wo also anfangen mit dem Bewußtseinswandel? Bei der unverhältnismäßig schweren Transportverpackung Automobil etwa, mit der sich der Mensch mit immensem Energieaufwand aber doch souverän durch die Lande bewegt? Bei den mit jeder Sommer- und Wintersaison wechselnden modischen Hüllen, mit vielen Umweltgiften und bevorzugt in Billiglohnländern gefertigt? Bei den festtäglichen Geschenkeorgien? Oder gar bei Christos Verhüllung des Berliner Reichstags?

Man mag einwenden, das eine hätte mit dem anderen nichts zu tun, Auto, Kleidung und Geschenkverpackung seien grundverschiedene Dinge. Dennoch legitimieren sie sich alle über den Inhalt, dem sie sich dienend unterordnen sollen, den sie tatsächlich aber in ihren ökologischen Begleiterscheinungen überwuchern. Verpackung ist häufig mehr, als der bloße Schutz eines kostbaren Gutes, mehr als Transport- und Lagerhilfe. Sie ist auch ein Kommunikationsmittel, auf das viele kaum verzichten mögen, ob Hersteller und Händler, Künstler und Narzisten, Schenker oder Beschenkte. Vieles läßt sich mit der Verpackung zur Botschaft gestalten: Kaufanreiz und Markentreue, Bewunderung und Gebrauchsanweisung und nicht zuletzt eine ganz persönliche Ansprache.

Da in unserer Zivilisation die Identität eines Menschen und seiner Dinge ganz wesentlich von der Hülle bestimmt ist, wird sie niemand sich so leicht entwinden lassen, erst recht nicht, seit die Ansprüche an sie in Zeiten ökologischer Korrektheit anspruchsvoller geworden sind und damit mehr Raum für individuelle Gestaltung gegeben ist. Die Hüllen sollen nicht fallen, aber sie sollen nach mehr Einklang mit der Natur aussehen, möglichst – in einer Art Mimikry – wie die Natur selbst: Pflanzenfasern, Metall- Holz- und Papierstrukturen stehen auf der Beliebtheitsskala ganz oben – wie einst im Jugenstil. Und wenn das Material der Natur schon so nahe kommt, warum mit den Reizen geizen, warum es nicht so üppig verwenden, wie Mutter Natur selbst? Immerhin ist es ja wiederverwendbar.

Was aus (vermeintlich) natürlichen Materialien hergestellt wurde, kann in der Vorstellung vieler kaum mehr Ressourcen und Energien verbraucht haben, als das unschuldige Ernten der Früchte aus dem Garten Eden. Wer weiß schon die ökologischen Vor- und Nachteile zu bilanzieren, die man mit der Verwendung all jener Materialien eingeht, die den umweltbewußten Ästheten lieb und teuer geworden sind: edle Papiere, unbehandelte Metalle, seltene Hölzer und archaische Textilien, aber auch banales Packpapier und Industriehölzer. Weil sie irgendwie ursprünglich und ungestaltet erscheinen, bedient man sich ihrer gerne, erwecken sie doch den Eindruck von Einfachheit in einer immer komplizierteren Welt.

Unbemerkt sind wir in eine neue Spirale der Abfallgesellschaft geraten. Verpackungen werden nun zwar in ihrer Problematik erkannt. Aber sie werden auch höher bewertet, als je zuvor. Deshalb widmen ihnen Designer und Formkosmetiker, Marketing- und Werbestrategen eine höhere Aufmerksamkeit denn je. Besser täten wir, wenn wir unsere Aufmerksamkeit wieder auf das lenken würden, was – wenn es denn in Form und Funktion gut, das heißt der Umwelt angemessen versorgt ist – nur wenig Umhüllung braucht. Willkommen sind Dinge, die so gut sind, daß sie wenig Verpackung brauchen, und Verpackungen, die so gut sind, daß man sie – wie in alten Zeiten – aufbewahren möchte.

Podcasts: Design + Emotion

Geheimnisse der Markenprodukte

Ob “Abendsonne” von Duschdas, das einen entspannten Abend verheißt oder “Boost” mit dem Axe-Effekt, der die Frauen schwach macht: Viele Duschgels versprechen mehr, als nur den Körper zu reinigen. Prof. Wolfgang Ullrich von der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe geht im Podcast den Geheimnissen der Inszenierung dieser Markenprodukte auf den Grund.

“Igitt-Igitt” oder “Was soll das denn sein?”

Dass die Objekte der Ausstellung “Design + Emotion” wirklich ungewöhnlich sind, beweist eine Umfrage unter Karlsruher Passanten. Ihre ganz eigenen Interpretationen zu Blumenvase & Co. zeigt der Podcast “Shocking Gags und Augentäuscher”.

“Ich liebe es….” Design löst Gefühle aus

Was haben ein Schutzengel, eine kabellose Laser-Mouse und ein paar abgetretene Schuhe gemeinsam? Sie sind alle Objekte die Gefühle wecken. Welche Empfindungen sie hervorbringen und an welche Geschichten sie erinnern, erklären die Jugendlichen im Podcast.

Pionier des modernen Brandings:

Als professioneller Namensgestalter gehört Manfred Gotta mit seinem Unternehmen “Gotta Brands” zu den führenden, auf die Namensentwicklung spezialisierten Agenturen. Von ihm stammen viele bekannte Wortkreationen darunter auch “Twingo”, “Megaperls” oder “smart”. Wie er diese Namen entwickelt und was einen wirklichen guten Produktamen ausmacht, erklärt er im dritten Podcast zur Ausstellung “Design + Emotion – Produkte, die Gefühle wecken”.

Das Ohr kauft mit!

Gutes Design geht durch das Ohr! Wer heute ein erfolgreiches Produkt entwickelt, darf sich nicht allein auf die Gestaltung der äußeren Form und die technische Leistung konzentrieren. Auch der Klang, der „Sound“, muss stimmen. Dieser spielt bei der Beurteilung eines Objektes, neben Haptik und Geruch, eine überaus wichtige Rolle. Aus diesem Grund sorgen immer häufiger professionelle Sound- oder Akustik-Designer für den „richtigen“ Ton von Produkten. Der spezifische Produktklang gibt unter anderem Aufschluss über die Qualität oder über das ordnungsgemäße Funktionieren. Zum weiten Aufgabenfeld der Klangdesigner gehört die Gestaltung ganz unterschiedlicher Geräuschtypen: das Klacken der Autotür, das genüssliche Gluckern beim Ausgießen einer Bierflasche, das Knacken beim Biss in den Keks, das appetitanregende Geräusch beim Abziehen eines Joghurtdeckels und vieles andere mehr.

Der Klang eines Produktes kann mindere Qualität entlarven – beispielsweise durch ein „blechernes“, klapperndes Geräusch – oder ein höherwertiges Material mittels eines „satten“, soliden Klangs simulieren. Bei den auf die Geräteleistung bezogenen Betriebsgeräuschen lassen tiefe Frequenzen Eigenschaften wie „kraftvoll“ assoziieren, wohingegen hohe Frequenzen als „gequält“ und eher unangenehm empfunden werden.

Darüber hinaus liefern Produktgeräusche akustische Rückmeldung über das ordnungsgemäße Funktionieren der Geräte. Erst wenn der Rasierer deutlich hörbar und markant „prazzelt“, vertrauen wir seiner Leistung; hingegen sollte der eine sanfte Haarentfernung versprechende „Ladyshaver“ leiser klingen und seine Sanftheit damit akustisch unterstreichen. Auch muss ein leistungsstarker Staubsauger oder Automotor eine gewisse Lautstärke besitzen, gemäß der Erwartungshaltung: starke Leistung = starkes Geräusch. Hellhörig werden wir beim „Quietschen“ und „Brummen“, denn diese Geräusche suggerieren Verschleiß oder den kurz bevorstehenden Geräteexodus.

Eine deutliche Irritation beim Betrachter lösen lautlose Produkte aus, denn sie lassen ihn im Unklaren darüber, ob das Gerät funktioniert oder in welchem Prozessstadium – beispielsweise das Mahlen oder Brühen bei einer Kaffeemaschine – es sich gerade befindet. Dies erklärt auch, warum bei Digitalkameras dem Drücken des Auslösers ein deutliches Geräusch folgt. Bei herkömmlichen Fotoapparaten lieferte der Verschlussmechanismus einen realen, aus mechanischen Prozessen resultierenden „Klick“, der die erfolgreiche Aufnahme bestätigte. Bei Digitalkameras wird dieses Klicken mangels mechanischer Geräusche elektronisch erzeugt. Die Begründung für diese Geräuschsimulation liegt in unserer über Jahrzehnte geprägten Erwartungshaltung: Erst wenn es klickt, hat’s auch funktioniert.

Insbesondere die Automobilbranche betreibt einen hohen Aufwand bei der akustischen Optimierung ihrer Produkte – bis hin zur Patentierung des satten, markenspezifischen Klangs beim Zuschlagen der Autotür oder dem künstlich erzeugten, tief-knurrenden aber zugleich elegant und unaufdringlichen Röhren eines leistungsstarken Sportwagenmotors.

Früher gab es ausschließlich „natürliche“ Produktgeräusche. Sie setzten sich aus einem Zusammenspiel von mechanischen Abläufen, verwendeten Materialien und dem durch die formale Gestaltung vorgegebenen Resonanzkörper zusammen. Damals durften wir unseren Ohren noch trauen, heute ist jedes Geräusch, bis hin zum Biss in das Würstchen, perfekt gestylt. 1

Qualität kann man hören!

Wie muss ein Haartrockner klingen, damit wir seiner Leistung vertrauen und ihn für gut befinden? Machen Sie den Soundcheck! Fünf Klangbeispiele stehen zur Wahl, charakterisiert von Dr. Wolfgang Brey, Chefakustiker der Firma BRAUN. 2

Sehr kraftvoll, aber zu laut. Das Geräusch charakterisieren vorwiegend tiefe Frequenzen.
Leise, aber kraftlos, geringwertig. Der Hörer assoziiert ein geringes Leistungsvermögen.
Kraftvoll, solide, ausgewogen, harmonisch. Der Hörer assoziiert ein hohes Leistungsvermögen.
Nervig, zischend, unangenehm, lästig. Das Geräusch charakterisieren vorwiegend hohe Frequenzen.
Unangenehm, störend, pfeifend. Dieses Geräusch charakterisiert ein verhaltener tonaler Anteil. Es vermittelt den Eindruck, dass möglicherweise etwas defekt ist und das Gerät nicht mehr ordnungsgemäß funktioniert.

Anzeichenfunktionen

Anzeichen sind aus semiotischer Sicht visuelle Distinktionen, die das Vorhandensein einer bestimmten Sachlage, Funktion oder Wahrnehmungsqualität am jeweiligen Gegenstand anzeigen. Für Bürdek “beziehen sich Anzeichen immer auf die praktische Funktion der Produkte, d.h., sie visualisieren deren technische Funktionen, sie erläutern insbesondere deren Handhabung oder Bedienung. Anzeichen verdeutlichen dem Benutzer, wie er mit Produkten umzugehen hat.” (Ders., a.a.O., S. 312) Im Prozess der Prokuktplanung und -getaltung gehört die Berücksichtigung klar verständlicher Anzeichen zum “klassischen Repertoire” des Designers; sie werden im Rahmen der Gestaltungsabsicht gezielt eingesetzt, damit der Benutzer die praktischen Funktionen des Designobjektes möglichst ungehindert verstehen kann. Für ihn kommen in Betracht:

  • klar vereinbarte (d.h. erlernte) Zeichen oder konventionelle Symbole, Pfeile etc., aber auch Hinweishilfen wie Wörter, Buchstaben oder Ziffern.
  • kulturell codierte Zeichen oder Symbole, auf die sich der Gestalter berufen kann. Beispielsweise bestimmte Materialeigenschaften (z.B. Gold), Kreisformen oder Quadrate (wie beim Tisch) oder hervorstehende Knöpfe, die auf Dreh- oder Druckmöglichkeiten verweisen (siehe z.B. die Regelung am Herd). Aussparungen oder Mulden im Material deuten an, dass hier über Bewegung oder Schieben etwas zu steuern ist. Rillen, Kanten, Vertiefungen, Texturen oder materiale Hervorhebungen entfalten zu Gunsten ihrer Anzeichenfunktionen mit den von ihnen hervorgerufenen Lichtbrechungen, Schlag- und Binnenschatten eine bestimmte Gestaltungswirkung, die Aufmerksamkeit beim Benutzer erzeugt. Die unten gezeigten Objekte illustrieren vielfältige Möglichkeiten, wie mit eindeutigen und sparsam eingesetzten Anzeichen die Nutzung gelenkt werden kann.

“Die Wichtigkeit von Anzeichen im Designbereich lässt sich schon daran sehen, dass z.B. die richtige Bedienung eines Feuerlöschers, einer Notbremse etc. in der Gefahrensituation nur dann funktionieren kann, wenn die Anzeichen für die richtige Handhabung eindeutig gestaltet sind.”

Arbeitspapier der HfG Offenbach