Bei der Gründungsversammlung des Deutschen Werkbunds am 5. und 6. Oktober 1907 in München trafen etwa einhundert angesehene Künstler, Industrielle und Kunstfreunde zusammen. Sie waren einem Aufruf gefolgt, der von zwölf Künstlern und zwölf Industriellen ausgegangen war. Hier war ein neuartiger Versuch, sich mit einem Problem auseinanderzusetzen, das zu jener Zeit die Aufmerksamkeit gebildeter Menschen in Deutschland in Anspruch nahm: Wie die Verkettung zwischen Gestalter und Hersteller, zwischen Kunst und Industrie neu geschmiedet werden könnte, die im Lauf der jüngsten staunenswerten Entwicklung der deutschen Wirtschaft einen Bruch erlitten hatte. Daß sowohl Künstler wie Unternehmer dem Ruf zur Sammlung folgten, nährte die Hoffnung, es könnte einem Werkbund gelingen, in das deutsche Wirtschaftsleben das entbehrte künstlerische und sittliche Element einzufügen. Als die Gründungsversammlung unter dem Vorsitz des Direktors einer Porzellanfabrik, J. J. Scharvogel, sich zum ersten Vorsitzenden der neuen Vereinigung einen Professor für Architektur, Theodor Fischer, wählte, erschien das als ein symbolischer Ausdruck des Geistes, in dem der neue Bund zu wirken unternahm. […] Die einführende Ansprache hielt Fritz Schumacher, Professor für Architektur an der Technischen Hochschule in Dresden. Schumacher formulierte das Ziel des Werkbunds wie folgt:
“Eine gründliche Gesundung unseres Kunstgewerbes ist nur möglich, wenn die erfindenden und ausführenden Kräfte wieder enger zusammenwachsen […]. Wenn sich Kunst mit der Arbeit eines Volkes enger verschwistert, so sind die Folgen nicht nur ästhetischer Natur. Nicht etwa nur für den feinfühligen Menschen, denn äußere Disharmonien schmerzen, wird gearbeitet; nein, die Wirkung geht weit über den Kreis der Genießenden hinaus. Sie erstreckt sich zu nächst vor allem auf den Kreis der Schaffenden, auf den Arbeitenden selber, der das Werk hervorbringt. Spielt in sein Tun wieder der Hauch der Kunst herein, so steigert sich sein Daseinsgefühl, und mit dem Daseinsgefühl auch seine Leistungskraft […].”
Obwohl Schumacher bedauerte, wie sehr die Kultur der vorindustriellen Vergangenheit Schaden gelitten habe, betonte er, daß der Prozeß der Industrialisierung und Mechanisierung zwangsläufig sei. Es bliebe also nichts übrig, als durch den Werkbund den Kampf gegen die Auswüchse von Materialismus und Rationalismus aufzunehmen, die mit jenem Prozeß einhergingen, ohne jedoch auf die Vorzüge des Modernismus zu verzichten. Könnten praktisch gesinnte Künstler sich mit idealistisch empfindenden Unternehmern zu gemeinsamem Wirken verbünden, dann könnte das Ziel einer “Wiedereroberung harmonischer Kultur” erreicht werden, das eine neuartige Kultursynthese im Einklang mit der Wirklichkeit des zeitgenössischen Lebens bedeutete. Die unmittelbare Aufgabe, mit der die neue Vereinigung zu ringen habe, müsse in der Verbesserung der Form und der Qualität der deutschen Gebrauchswaren bestehen. Schumacher betonte jedoch nachdrücklich, der Werkbund sei nicht gegründet worden, um bloß die Empfindsamkeit einiger Ästheten angesichts der abstoßenden Häßlichkeit vieler marktgängiger Fabrikate zu schonen. Ebensowenig sei es das Ziel, die Gewinne der beteiligten Firmen zu erhöhen. Vielmehr suchte Schumacher die sittlichen und vaterländischen Gefühle seiner Zuhörer unter dem Wahrzeichen des Qualitätsideals zu mobilisieren, indem er auseinandersetzte, Qualitätsarbeit werde sowohl Deutschland für den Wettbewerb auf den Weltmärkten stärken wie auch daheim für den sozialen Frieden wirken.