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Gemeinsam nutzen statt einzeln verbrauchen

Zweifellos besitzen wir alle irgendwelche Gegenstände, sei es nun ein Auto, ein Computer oder einen Stuhl. Besser für uns wäre natürlich noch, wenn wir auch noch der Eigentümer des jeweiligen Gegenstandes wären. Wenn wir aber alle Dinge einzeln besitzen und somit auch nutzen, bedeutet das einen sehr unverantwortlichen Umgang mit den Ressourcen unserer Erde. Gemeinsames Nutzen einzelner Güter bedeutet Ressourcenschonung und somit natürlich auch Abfallvermeidung bei unveränderter Güternutzung und “Wohlstand?”. Gemeinsames Nutzen kann heißen miteinander nutzen – bestes und bewährtes Beispiel sind die öffentlichen Verkehrsmittel – nacheinander nutzen – beispielsweise Langzeitgüter wie Musikinstrumente, Möbel oder Wohnungen – oder auch intensiver nutzen – Waschmaschine im Waschsalon anstatt zuhause.
Gemeinsames Nutzen erlaubt einen nachhaltigeren Umgang mit der Natur. In sämtlicher Literatur wird noch angeführt »ohne Wohlstandsverlust der Nutzer«, diese These will ich nicht eins zu eins übernehmen. Im Mittelalter war Privateigentum auf einige persönliche Dinge beschränkt, Knappheit führte und führt zu Wieder- und Weiterverwendung. […]
Erst die Konsumgesellschaft Mitte des 20. Jahrhunderts stellt den Besitz vor den Nutzen. Billige Rohstoffe und große Produktionskapazitäten waren die Voraussetzung für die Wegwerfgesellschaft, aber genau das führt jetzt zu Lawinen von Abfall und der herrschenden Umweltverschmutzung. Dies hatte zwar die Entstehung eines neuen Wirtschaftszweiges, der Altlastensanierung (Recycling) zur Folge, aber auch den Verlust einiger durch Technik nicht wieder ersetzbarer Lebewesen, Pflanzen, Rohstoffe. […]

Auch ein Beispiel zum besseren, ressourcenschonenden Nutzen böte die Waschmaschine. 12 % des Gesamtwasserverbrauchs in Deutschland geht auf das Konto der Waschmaschine. Zudem werden die Waschmaschinen selbst in größeren Haushalten maximal 10 Stunden pro Woche genutzt, das heißt, sie steht 158 Stunden unnütz im Weg. Da wäre erstens die Möglichkeit in Wohnhäusern, wie es teilweise schon gemacht wurde oder wird, eine Waschküche einzurichten, in der man dann Langzeitwaschmaschinen Installieren könnte, die um das Zehnfache effizienter sind als Haushaltswaschmaschinen. Man müsste nur einen Raum finden, der anders als bisher ein feuchtes Kellerloch wäre. Eine zweite Möglichkeit (vielfach besungen und schon verfilmt) wäre der hausexterne Waschsalon. […]
Weitere Beispiele für gemeinsames Nutzen werden sowieso schon unpathetisch praktiziert, wie zum Beispiel die gemeinsame Nutzung von Videogeräten, Fotoapparaten, Kleidung, Fahrrädern und selbstverständlich auch Sportgerätschaften (meine Frau und ich haben ein gemeinsames Paar Rollschuhe). […]

Was bedeutet “gemeinsam nutzen statt einzeln verbrauchen” für den Designer?

Gemeinsames Nutzen, verbunden mit einer längeren Nutzung bestehender Güter, ist die am meisten Erfolg versprechende Strategie im Übergang zu einem nachhaltigen Wirtschaften; durch Fertigung von Langzeitgütern und durch Dienstleistungen zur Nutzungsdauer, -verlängerung und -intensivierung von Gütern kann diese Strategie Abfälle und Umweltbelastungen in vielen Fällen vermeiden oder vermindern (Prof. Eugen Gomringer). Das steht natürlich genau im Gegensatz zu Strategien einzelner Konzerne, die Nutzungsdauer einiger Produkte zu verkürzen (Beispiel Glühbirne). Formen des kurz- und langfristigen Vermietens von Gütern, statt des Verkaufs, machen Nutzergemeinschaften auch für Produzenten interessant. Dies bedingt die Betonung einer einfachen Wartung, einer Nutzungsflexibilität und einer Anpassbarkeit an den technischen Fortschritt (die Eier legende Wollmilchsau?). Die Strategie stellt den Nutzen vor Eigentum. Diese Konzepte bedürften aber, wie alle guten Ideen auch, ein grundlegendes Umdenken in der Gesellschaft. Und das ist bekanntlich eher selten der Fall. […]

Autor*in

Ingerl, Andreas

Werk

Passagen aus: Welche Dinge braucht der Mensch? oder Nutzen statt Besitzen? Ökologie und Konsum. (1995); (mit freundlicher Genehmigung des Autors)

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