Arbeitstischlampen mit verschiedenen Schirmen und beweglichen Armen

Kaum ein anderes Gebiet innerhalb der Gebrauchsdinge hat die Phantasie des Mitteleuropäers so beschäftigt wie die Entwicklung von Beleuchtungskörpern. Diese Lichtträger werden uns stolz in den Kunstmuseen vorgeführt. Zum Teil sind es ungewöhnlich bizarre Konglomerate aus unterschiedlichen Materialien, so beispielsweise Hirschgeweihe mit Schnitzereien, die in den so genannten „Lüsterweibchen“ ihren Höhepunkt finden. Diese „altdeutschen“, gemütlichen Leuchten haben sich bis heute erhalten und ihre Weiterentwicklung in armierten Wagenrädern, Ochsengeschirren oder ähnlich „sinnvollem“ Gerät gefunden. Neben diesen rustikalen Entwicklungen findet man häufig die technoiden Lampen, die so genannten Spots und apparateähnlichen Gebilde, die den nostalgischen „Lampenbrüdern“ jedoch zumeist in gleicher Grobschlächtigkeit verbunden sind.

Dieser Aufwand an formaler Vielfalt prägt natürlich auch den Charakter von Geschäften, die sich auf den Verkauf von Leuchten spezialisiert haben. Betritt man einen solchen Laden, so hat man das Gefühl, in eine Welt, die an skurrile Unterwasserflora und -fauna erinnert, zu gelangen. In diesem verwirrenden Angebot eine Auswahl zu treffen ist schwierig. Deshalb erscheint es sinnvoll, sich nicht erst in dem Geschäft für einen Kauf inspirieren zu lassen, sondern sich zuvor etwas zu orientieren. Diese Orientierung beginnt mit der Frage: Was brauche ich? Welchem Zweck soll der Beleuchtungskörper dienen? Soll er beispielsweise für eine allgemeine Raumbeleuchtung Verwendung finden oder einer speziellen Tätigkeitsfunktion dienen (Arbeits- und Essplatz, Leseecke usw.)? Wird der Beleuchtungskörper in einer Mansarde, in einem Studentenzimmer, in einem größeren Wohnraum, in der Küche oder in einem Flur benötigt? Die unterschiedlichen Raumarten und Ansprüche bestimmen letztlich die Funktion, und die Funktion wird sich wiederum an der äußeren Erscheinung abzeichnen müssen. Dabei ist unbestreitbar wohl an jedweden Beleuchtungskörper als erste Forderung die Frage zu stellen: Liefert er das für den bestimmten Zweck benötigte Licht? Denn eine Leuchte ist in erster Linie Lichtspender und erst in zweiter Ausstattungsstück. Diese scheinbare Binsenweisheit wird jedoch häufig nicht beachtet, nicht beachtet vor allem in repräsentativen Räumen, also Wohnzimmern, und auch am Arbeitsplatz. Im ersteren Falle vor allem deshalb, weil hier der Beleuchtungskörper oft dominant als Ausstattungsstück betrachtet wird, und im letzteren Fall, weil man es nicht so genau nimmt.

Ein besonders schwieriges Problemfeld scheint die allgemeine Raumbeleuchtung in einem größeren Wohnraum zu sein. Hier wird durch eine zentrale, in der Mitte des Raumes befindliche Lichtquelle zumeist nur eine sehr unbefriedigende Lösung erzielt. Auch der aus Venedig importierte „echte“ Glaslüster vermag die unbefriedigende Raumausleuchtung bzw. Lichtstimmung nicht zu überspielen. Deshalb scheint es sinnvoller, in diesem Fall die Lichtquellen auf die entscheidenden Lebensbereiche in diesem Raum zu konzentrieren, beispielsweise am Eß- oder Sitzplatz. Hier lassen sich auch mit geringerem materiellem Aufwand individuelle und gute Lösungen mit Lampen finden, von denen diese Diareihe einige Beispiele zeigt. Über einem Essplatz wird es sich immer anbieten, halbkugelige oder kegelförmige Beleuchtungskörper in Gruppierungen oder Reihungen zu verwenden. Eine Leuchte dieser Art allein über einem Tisch wirkt dürftig. Sehr liebenswürdige und unkonventionelle Lösungen lassen sich mit den allgemein bekannten Japanlampions (vgl. Bild 12) dann erzielen, wenn man sie im Raum nicht zentral anbringt, sondern zur Beleuchtung einer Sitzecke in Gruppierung oder einzeln benutzt. Der Beleuchtungskörper sollte dann tief gehängt werden, weit unter Kopfhöhe. Das gleiche gilt für die Kugelleuchten aus Milchglas (vgl. Bild 10). Eine Rundleuchte dieser Art von ca. 45 oder 50 Zentimeter Durchmesser nicht von der Decke gehängt, sondern auf ein Regal oder einen Ecktisch im Rahmen einer Sitzecke gelegt, ergibt eine aparte, unübliche Wirkung mit hoher Lichtausbeute. Eine Gruppe (vielleicht drei) der zylindrischen Lampen dieses Typs eignet sich sicher auch als Flurbeleuchtung. Unter den gezeigten Tischleuchten sind unterschiedlichste Formungen versammelt. Alle sind formal einfach, ohne besondere Ansprüche und funktional einwandfrei. Sie haben eine gute Lichtausbeute und fügen sich in ein kultiviertes Milieu ein.

Die Arbeitslampen ermöglichen durch hochgradige Beweglichkeit die Einstellung des Lichtkegels auf die auszuleuchtende Stelle. Ihre Abschirmungen sind Beispiele für die reiche Variationsmöglichkeit des gleichen Themas. Der bei starker Reduktion des Formenapparats dennoch mögliche formale Spielraum wird auch bei den Tischlampen deutlich. Es sind liebenswürdige, unaufdringliche, formal in sich abgewogene Entwicklungen, von denen die Lampen durch ihren Befestigungsmechanismus (anschraubbar an Tischplatte) zu den mobilen Klemmleuchten überleiten, zu Leuchten also, die sich der fest gefügten Dauereinrichtung entziehen und Improvisation ermöglichen, zugleich dort Lichtspender sind, wo man das Licht im Moment besonders benötigt. Unter den Stehlampen werden Schirmlampen mit kegelstumpfförmigen oder zylindrischen Schirmen immerzu den Standardtypen gehören. Als besonders preisgünstige und vorteilhafte Beleuchtungslösung haben sich daneben die an einem Metallstab zu befestigenden unterschiedlichen Strahler erwiesen. Man kann mit ihnen bestimmte Gegenstände anstrahlen, aus einer Schattenzone herausleuchten, aber auch indirekte Lichtwirkungen durch Beleuchtung einer Wandzone erzielen. Es gibt auf diesem Feld ebenso wie bei den Tischlampen formal und funktional unterschiedlichste Strahlerarten. Ihr Vorteil liegt in dem geringen Volumen, im Zurücktreten und damit Einfügen in ein Ensemble; denn Beleuchtungskörper sind zuerst, um es nochmals zu wiederholen, Lichtträger und erst in zweiter Linie Ausstattungsstücke. Die Zukunft der Beleuchtungskörper wird in der Akzentuierung ihres ersten Wortteiles liegen. Wir sollten deshalb in unseren Wohnungen mehr Wirkungen mit Licht erzielen, und das mit unauffälligen Lichtquellen.

10 Thesen von Dieter Rams über gutes Produktdesign

Vitsoe in der Wikipedia auf Englisch, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Die Grundüberlegungen, die meine Arbeit als Designer bestimmen und die die Grundzüge meiner Design-Philosophie darstellen, wurden von mir in zehn Thesen formuliert. Eine unumstößliche Festschreibung sollen und können sie jedoch nicht sein, denn die Vorstellungen, was gutes Design ist, entwickeln sich weiter – so,wie sich Technik und Kultur weiterentwickeln.

Gutes Design ist innovativ
Die Möglichkeiten für Innovation sind noch längst nicht ausgeschöpft. Die technologische Entwicklung bietet immer wieder neue Ausgangspunkte für innovative Gestaltungskonzepte, die den Gebrauchswert eines Produktes optimieren. Innovatives Design entsteht aber stets im Zusammenhang mit innovativer Technik und ist niemals Selbstzweck.

Gutes Design macht ein Produkt brauchbar
Man kauft ein Produkt, um es zu benutzen. Es soll bestimmte Funktionen erfüllen – Primärfunktionen ebenso wie ergänzende psychologische und ästhetische Funktionen. Gutes Design optimiert die Brauchbarkeit und lässt alles unberücksichtigt, was nicht diesem Ziel dient oder gar entgegensteht.

Gutes Design ist ästhetisch
Die ästhetische Qualität eines Produktes ist integraler Aspekt seiner Brauchbarkeit. Denn Geräte, die man täglich benutzt, prägen das persönliche Umfeld und beeinflussen das Wohlbefinden. Schön sein kann aber nur, was gut gemacht ist.

Gutes Design macht ein Produkt verständlich
Es verdeutlicht auf einleuchtende Weise die Struktur des Produkts. Mehr noch: es kann das Produkt zum Sprechen bringen. Im besten Fall erklärt es sich dann selbst.

Gutes Design ist ehrlich
Es lässt ein Produkt nicht innovativer, leistungsfähiger, wertvoller erscheinen, als es in Wirklichkeit ist. Es versucht nicht, den Verbraucher durch Versprechen zu manipulieren, die es dann nicht halten kann.

Gutes Design ist unaufdringlich
Produkte, die einen Zweck erfüllen, haben Werkzeugcharakter. Sie sind weder dekorative Objekte noch Kunstwerke. Ihr Design sollte deshalb neutral sein, die Geräte zurücktreten lassen und dem Menschen Raum zur Selbstverwirklichung geben.

Gutes Design ist langlebig
Es vermeidet modisch zu sein und wirkt deshalb nie antiquiert. Im deutlichen Gegensatz zu kurzlebigem Mode-Design überdauert es auch in der heutigen Wegwerfgesellschaft lange Jahre.

Gutes Design ist konsequent bis ins letzte Detail
Nichts darf der Willkür oder dem Zufall überlassen werden. Gründlichkeit und Genauigkeit der Gestaltung sind letztlich Ausdruck des Respekts dem Verbraucher gegenüber.

Gutes Design ist umweltfreundlich Das Design leistet einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der Umwelt. Es bezieht die Schonung der Ressourcen ebenso wie die Minimierung von physischer und visueller Verschmutzung in die Produktgestaltung ein.

Gutes Design ist sowenig Design wie möglich
Weniger Design ist mehr, konzentriert es sich doch auf das Wesentliche, statt die Produkte mit Überflüssigem zu befrachten. Zurück zum Puren, zum Einfachen!