Praktische Funktionen

Als praktische Funktionen gelten alle Relationen zwischen einem Produkt und einem Benutzer, die auf unmittelbar körperlich-organischen, also physiologischen Wirkungen beruhen. Daraus abgeleitet könnte definiert werden:
Praktische Funktionen von Produkten sind alle physiologischen Aspekte des Gebrauchs.
Diese Aussage soll am Beispiel Stuhl verdeutlicht werden. Durch die praktischen Funktionen eines Stuhles wird das physische Bedürfnis des Benutzers befriedigt, dem Körper eine Position zu ermöglichen, die der physiologischen Ermüdung weitgehend vorbeugt. Hier einige praktische Funktionen eines Stuhles, welche durch die gleichzeitige Erfahrbarkeit die Befriedigung dieses Bedürfnisses ermöglichen:
Die Sitzfläche nimmt das Körpergewicht des Benutzers auf. Der Effekt der kalten Fü.e, der durch Druckbelastung der Oberschenkel und mangelnde Durchblutung der Beine entsteht, wird durch eine starke Abrundung der vorderen Sitzkante weitgehend verhindert. Die Rückenlehne stützt die Wirbelsäule und entlastet die Rückenmuskulatur. Sitzfläche und Rückenlehne gemeinsam erlauben, dass durch die Entlastung der Bein- und Rückenmuskulatur der Blutkreislauf sinkt, Energie eingespart wird. Eine ausreichende Sitzbreite erlaubt Bewegungsfreiheit und Veränderung der Sitzposition, zwei Aspekte, die ein frühzeitiges Ermüden des Gesäßes verhindern. Die Armlehnen stützen die Arme und ermöglichen eine aufrechte Sitzhaltung. Eine Polsterung der Sitz- und Rückenfl.che ermöglicht Belüftung der belasteten Körperpartien, dadurch wird starke Schweißbildung an diesen Stellen verhindert. Bei der Entwicklung von Industrieprodukten haben die physiologischen Aspekte der menschlichen Existenz besondere Bedeutung. Wichtigstes Ziel der Produktentwicklung ist es, die Produkte mit praktischen Funktionen auszustatten, damit durch den Gebrauch der Produkte die physischen Bedürfnisse gedeckt werden können. Die praktischen Funktionen der Produkte stellen also die grundlegenden Existenzbedingungen des Menschen sicher, erhalten die physische Gesundheit im Gebrauchsvorgang.

Nun haben aber alle materiellen, gegenständlichen Produkte unserer Umwelt eine Erscheinungsform, die durch den menschlichen Wahrnehmungsvorgang erfahrbar wird und auf unsere Psyche wirkt. Daher ist es für die psychische Gesundheit des Menschen von entscheidender Wichtigkeit, dass diese gegenständliche, künstlich erzeugte Umwelt den menschlichen Wahrnehmungsbedingungen entsprechend optimiert wird, damit sich der Benutzer von Industrieprodukten z. B. mit diesen identifizieren, damit er sie psychisch besetzen kann. Der sinnliche Gebrauch der Industrieprodukte (Gebrauch mit den Sinnen, vorwiegend visueller, haptischer und akustischer Gebrauch!) wird durch die ästhetische Funktion der Produkte ermöglicht.

Industrieprodukte als Symbole

… Ein Symbol ist ein Bedeutungsträger, ein sichtbares Zeichen, welches meist für nicht direkt wahrnehmbare Zusammenhänge steht. Dabei kann das Symbol einmal ein Gebilde sein, dem von einer bestimmten Gruppe von Menschen ein besonderer Sinn verliehen wurde. Diese Symbole werden als künstliche Symbole bezeichnet, weil sie auf Konventionen beruhen. Zum anderen kann ein Symbol für einen Menschen eine individuelle Bedeutung haben, die dem Mitmenschen nicht verständlich ist. Diese werden als natürliche Symbole bezeichnet, weil deren Wirkung durch individuelle assoziative Verknüpfungen von Phänomenen zustande kommt. Auch unsere Industrieprodukte mit vorwiegend praktischen Funktionen haben unvermeidlich symbolische Funktionen, die, wie schon festgestellt wurde, in hohem Maße durch ästhetische Dimensionen der Produktgestalt beeinflusst sind. Industrieprodukte als Symbole verdeutlichen nicht den Wert, sondern den Stellenwert des Menschen in Bezug auf die gesellschaftliche Ordnung. Diese Symbole ordnen in einer anonym gewordenen Gesellschaft die Beziehungen der Menschen zueinander, sie sind die Zeichen für das Verhalten. Der Mann im schnellen Auto signalisiert durch die visuelle Erscheinung des Fahrzeugs, dass der andere zu weichen hat. Die Produkte als Symbole müssen zudem Auskunft geben, ob der nicht mehr persönlich bekannte andere oberhalb, unterhalb oder auf der gleichen gesellschaftlichen Ebene steht.

Statusprodukte

Industrieprodukte, die für eine soziale Schicht von Benutzern typisch sind, können diese Schicht symbolisieren, werden zum Symbol des sozialen Status. Das Industrieprodukt wird dann zum Bedeutungsträger, der etwas über die Lebensgewohnheiten derer aussagt, die sich mit dem Produkt identifizieren und es benutzen. Es kann eine Aussage machen über Art des Berufes, Höhe des Einkommens, Stand der Bildung usw. Statusprodukte sind also solche Produkte, die die gesellschaftliche Stellung des Benutzers oder sein Streben danach anzeigen. Hierbei wäre die schon angesprochene Identität der Lebensform der Menschen mit der Erscheinungsform der Produkte gegeben. Die Produkte entsprechen dabei genau der Art der Bedürfnisbefriedigung, die durch statusbildende Faktoren beeinflusst wird. Die Produkte, die vorwiegend von Angehörigen der Oberschicht benutzt werden, unterscheiden sich häufig von den Produkten der Mittel- und Unterschicht.
… Ein Industrieprodukt wird erst dann Symbol eines sozialen Status, wenn es für die übrigen Gesellschaftsmitglieder wahrnehmbar ist. In besonderer Weise sind Industrieprodukte als Statussymbole geeignet, wenn sich der Besitzer mit ihnen zusammen in der Öffentlichkeit zeigen kann. Das Automobil ist daher eines der geeignetsten Produkte, um die gesellschaftliche Stellung des Besitzers anzuzeigen. Produkte, die vorwiegend im Privatbereich benutzt werden, haben eine geringere Öffentlichkeitswirkung und ermöglichen die Demonstration des eigenen Status nur im Bekanntenkreis. Ein Statusprodukt kann auch ohne den Besitzer wirksam werden, wie z. B. das Schwimmbad hinter dem Bungalow. Gesellschaftliche Normen schreiben den Angehörigen einer Gruppe oft den Besitz bestimmter Produkte (als Statussymbole) vor, z. B. muss das Mitglied eines exklusiven Reitclubs entsprechende Kleidung tragen und ein eigenes Pferd besitzen. Wer diese Normen nicht beachtet, kann mit Sanktionen rechnen, die bis zum Ausschluss aus der Gruppe führen können. Mitglieder einer sozialen Schicht entwickeln durch den Gebrauch gleicher Produkte oft eine Solidarität, die sich z. B. darin äußert, dass sich zwei Personen lediglich grü.en, weil sie den gleichen Autotyp fahren. Der Besitz des gleichen Produktes symbolisiert ihnen den gleichen sozialen Status und erzeugt eine Verbundenheit. Als Statussymbole können Industrieprodukte betrachtet werden, die den echten Bedürfnissen von Benutzergruppen entsprechen und deren Erscheinungsform der Lebensform, d. h. der Art der Bedürfnisbefriedigung entspricht. Der echte soziale Status wird dabei durch das Industrieprodukt repräsentiert (auch Repräsentationsprodukt), das beim Mitmenschen ein Prestige, ein Ansehen, welches mit dem Status identisch ist, erzeugt.

Prestigeprodukte

Statusprodukt und Prestigeprodukt scheinen zwei verschiedene Begriffe für ein und dasselbe Phänomen zu sein. Wenn durch den Gebrauch eines Produktes der wirkliche Status des Benutzers angezeigt wird, symbolisiert dasselbe Produkt beim Betrachter gleichzeitig Ansehen, Prestige. Für Benutzer und außenstehende Betrachter ist in diesem Fall dasselbe Produkt gleichzeitig Statusprodukt und Prestigeprodukt. Nun besteht aber z. B. für den Angehörigen einer unteren Schicht die Möglichkeit, durch das Benutzen von Statusprodukten einer höheren sozialen Schicht den Anschein zu erwecken, als gehöre er zu dieser Schicht. Dadurch erhält ein Produkt, welches den Status einer Schicht anzeigt, im Gebrauchsvorgang durch den Angehörigen einer unteren Schicht die Funktion, dessen Prestige zu heben. Aus dem Statusprodukt der oberen Schicht wird das Prestigeprodukt der unteren Schicht. Ein Prestigeprodukt ist also ein Produkt, mit dem ein Wunschstatus symbolisiert werden kann. Es kann also festgehalten werden: Hat ein Produkt primär die Aufgabe, einen vorhandenen Status zu repräsentieren, bietet sich die Verwendung des Begriffs Statusprodukt an. Wenn ein Industrieprodukt aber vorwiegend die Aufgabe hat, ein Ansehen zu prägen, welches mit dem eigentlichen Status nicht identisch ist – z. B. einen höheren Status vorzutäuschen –, dann wäre es sinnvoll, den Begriff Prestigeprodukt zu verwenden.

Es besteht natürlich auch für den Angehörigen einer höheren Schicht die Möglichkeit, durch den Gebrauch von Statusprodukten einer tieferen Schicht den Anschein zu erwecken, als gehöre er zu dieser. Solches Verhalten wird in unserem Sprachgebrauch als Tiefstapeln bezeichnet. Meist spielen jedoch Prestigeprodukte im sozialen Aufstieg eine wichtige Rolle, weil deren Besitz der erste konstituierende Faktor eines höheren Status sein kann. Das Benutzen der Statussymbole einer höheren Schicht alleine führt allerdings noch nicht zu einem Wechsel in diese Schicht… Die Bedeutung von Statusprodukten in der Verwendung als Prestigeprodukte wird in ihrer Wirkung abnehmen, sobald sich der Käuferkreis erheblich über die ehemalige Bezugsgruppe hinaus ausweitet. Die Wirkung des Produktes kann dann sogar ins Negative umschlagen. Die Reaktion der Besitzer eines höheren Status, die sich ihrer Statusprodukte beraubt sehen, kann sich dann so entwickeln, dass sich diese Gruppe neuen, unverbrauchten, bis dahin seltenen Produkten zuwendet.

Designfunktionen

Funktionen – Welche Aufgaben erfüllt ein Produkt?

Was Design bedeutet ist je nach Blickwinkel unterschiedlich. Der Designer [1] möchte über das ökonomische Interesse hinaus ein Produkt mit möglichst kreativer Freiheit gestalten, seine Designaufgabe optimal erfüllen und seine Kreation am Ende in den Verkaufsregalen sehen. Für den Produzenten sollen Produkte Kaufbereitschaft erzeugen und den Absatz steigern. Dabei ist die Unterscheidung von der Konkurrenz essentiell. Das Design der Produktpalette muss dazu so gestaltet sein, dass es das Markenimage unterstützt bzw. profiliert. Idealerweise sollen Produkte im Unternehmen weitere Rationalisierung ermöglichen und so entworfen sein, dass sie Ressourcen schonen. Designer und Produzenten sind sich darüber im Klaren, dass die Form eines Objektes eine entscheidende Rolle spielt. Jenseits von Funktionen wird sie zuerst wahrgenommen. Noch bevor sich die Benutzbarkeit des Produktes erweisen kann, entsteht durch die visuelle Wahrnehmung der Form eine emotionale Wirkung. Sie spricht an – oder nicht. Der potentielle Käufer erhält ein ästhetisches Versprechen, das er erst im zweiten Schritt, manchmal sogar erst nach dem Kauf, praktisch überprüfen kann.

Die Gebraucherperspektive

Für jeden Benutzer haben Gegenstände hochkomplexe Bedeutungen. Neue Produkte beispielsweise sollen zu vertrauten passen und sich in den Lebensstil der Benutzer einfügen. Mit Hilfe der Dinge wird Ordnung [2] geschaffen, sie verbessern den Gebrauchsnutzen und ermöglichen die Identifikation mit sozialen Milieus und gesellschaftlichen Idealen1. Dementsprechend beinhaltet ein Gegenstand ein ganzes Bündel an Funktionen, von der praktischen Funktion des Gebrauchs bis zur symbolischen Funktion des Prestiges. Dieses komplexe Beziehungsgeflecht zwischen Mensch und Gegenstand lässt sich grob in rationale und emotionale Aspekte [3] teilen, die sich meistens überschneiden. Da sie nicht voneinander zu trennen sind, muss man sie als gleichwertig anerkennen. Selbst ein so simpler Gegenstand wie ein Weinflaschen-Korken beinhaltet rationale und emotionale Funktionen. Über die praktische Funktion des Verschlusses hinaus bietet der Korken sinnliches Erleben und soziale Botschaft. Ist der Korken aus Plastik? Aus Korkschnipseln? Aus Vollkorken? Weinkenner schließen vom Material des Verschlusses auf die Qualität der Weine eines Gastgebers und dementsprechend auf den Wert, den dieser dem Ritual Wein trinken beimisst.

Bei manchen Produkten steht sein Zweck nur scheinbar im Vordergrund. Tatsächlich geht es um die Befriedigung emotionaler Bedürfnisse. Armbanduhren etwa weisen nicht selten technische Funktionen und Merkmale auf, die eher im Hinblick auf den emotionalen Nutzen hin kreiert wurden (z.B. Mondphasenanzeige, extreme Ganggenauigkeit, Wasserdruckresistenz, hoch komplizierte Mechanik). Je komplexer ein Produkt aufgebaut ist, desto verwischter sind seine einzelnen Funktionen. Ein Auto besteht aus vielen verschiedenen Einzelkomponenten wie Bremsen, Lenkrad, Polsterung, Markenemblem, Verriegelung etc. Jeder Bestandteil hat einen anderen Schwerpunkt im rational-emotionalen Funktionsgefüge. Fahrzeugbremsen sollen in erster Linie technisch einwandfrei funktionieren, während das Markenemblem primär symbolische Aussagekraft hat.
Am Beispiel von Produkten des Schreibgeräteherstellers Lamy werden die einzelnen Designfunktionen im Folgenden auf ihren Nutzen für den Gebraucher hin beleuchtet.
Lamys Produkte gliedern sich heute in Schreibgeräte für Kinder und Jugendliche und in solche für Erwachsene. Lamy-Käufer finden sich hauptsächlich unter den modern eingestellten Anhängern klarer Formen. Sie verfügen über ein mittleres bis hohes Einkommen und haben ein Faible für technische Innovationen und Understatement.

RATIONALE FUNKTONEN

Rationale Funktionen lassen sich im Gegensatz zu emotionalen Funktionen präzise benennen und beschreiben. Hier geht es pragmatisch um Benutzung und Ökonomie aus der Sicht des Gebrauchers.

Technisch-praktische Funktionen (Benutzen)

Handhabbarkeit, Haltbarkeit, Zuverlässigkeit, Sicherheit, Technische Qualität, Ergonomie und ökologischer Wert2 – Wird ein Produkt als „funktional“ bezeichnet meint man damit meist, dass es die Kriterien der technisch-praktischen Funktionen [4] erfüllt.
Ein solch funktionales Gerät ist der Schreiblern-Füller „Lamy ABC“. 1987 fand das Schreibgeräteunternehmen, dass es bislang keinen wirklich kindgerechten Einstiegsfüller für ABC-Schützen gab. Im Entstehungsprozess von Pädagogen begleitet entwickelte Lamy daraufhin ein „Schreiblernsystem“. Es besteht aus einen Bleiminenstift mit robuster Mine, der den Übergang vom Buntstift zum Füller ebnen soll. Nach dieser Vorbereitung können Schulanfänger unkompliziert auf den LamySchreiblernfüller ABC umsteigen, nicht zuletzt, weil er in derselben Form gestaltet wurde. Diese besteht aus Holzschaft und robuster Kunststoffkappe, die in Material und Farbe an Spielzeug erinnern soll. Würfelförmige Abschlüsse dienen als Wegrollbremsen. Ergonomische Griffstücke bieten der Kinderhand Halt. Die funktionale Gestaltung des „ABC-Schreiblernsystems“ brachte Lamy bis 2002 eine sehr hohe Marktdurchdringung.

Wirtschaftliche Funktionen (Besitzen)

Dieser Komplex dreht sich um Fragen wie: Wie hoch ist der Kaufpreis des Produktes, wie ist das Preis- / Leistungsverhältnis, was kostet der Unterhalt des Produktes, wie hoch ist der Wiederverkaufswert?

EMOTIONALE FUNKTIONEN

Lassen sich rationale Funktionen relativ klar benennen, sind die emotionalen Funktionen eines Produktes sehr viel schwerer zu fassen. Sie sind subjektiv, amorph und bieten breiten Spielraum für Interpretationen. Prinzipiell kann jeder Gegenstand aus vielfältigen Gründen für einen Menschen bedeutungsvoll sein. Dieser selektiert aus der Flut der Produkte, nicht nur, was er praktisch braucht, sondern was für ihn auch emotional „brauchbar“ ist. Kurz, was ihm ein gutes Gefühl gibt. Für andere ist seine Wahl womöglich abwegig. Die uralte Diskussion um ästhetische oder soziale Bewertungen, wie z.B. schön oder hässlich, geschmackvoll oder vulgär, erwächst nicht aus rationalen Funktionen; sondern aus dem unterschiedlichen individuellen Pool emotionaler Bedeutungen.

Ästhetische Funktionen (Ansehen)

Die Gestalt [5] eines Produktes hat eine ganz besondere Bedeutung. Gefällt uns die Form nicht, werden wir dem Produkt kaum Chance geben, auch wenn es noch so praktisch ist. Die Form mit ihren Gestaltelementen [6] gibt visuelle Hinweise auf die Funktion. Formen sprechen uns aber vor allem emotional an. Sie können unser rationales Urteilsvermögen benebeln, sie können uns aber auch veranlassen, bewusst Abstriche bei den rationalen Funktionen hinzunehmen.

Form, [7] Farbe, [8] Material [9] und Oberfläche [10] sind die Faktoren, die die Gestalt eines Produktes bestimmen. Oft wird Form synonym für die Gestalt, das Aussehen benutzt. Auch der griffige Leitsatz „Die Form folgt der Funktion“ meint eigentlich, dass die Ästhetik dem praktischen Zweck folgt. Denn auch Farbe, Material und Oberfläche sind je nach geplanter Verwendung mit Bedacht gewählt, z.B. Warnfarben oder solche, die sich unauffällig in ein Ambiente einfügen sollen. Soll Luftwiderstand verringert werden, wird man glatte statt raue Materialien verwenden. Geht es darum, Gewicht zu sparen, z.B. bei einem Rucksack, wird dies Einfluss auf die Materialwahl haben. Die wiederum beeinflusst die gesamte Formgebung, von der Haptik über verarbeitungsbedingte Formdetails (z.B. Versteifungen) bis hin zur Farbgebung („leichte“ Farben oder „schwere“, die trotz Leichtigkeit Robustheit suggerieren sollen).

Die ästhetische Beurteilung von Produkten ist abhängig von verschiedensten Faktoren: von den ästhetischen Vorlieben der sozialen Schicht, Nationalität, dem Geschlecht und Alter. Und von Gewöhnung. Wir neigen dazu, alles was wir sehen, sofort zu bewerten. Darunter versteht allerdings jeder etwas anderes.

– Soziale Konditionierung: Der französische Soziologe Pierre Bourdieu belegte Ende der 60er Jahre mit Hilfe empirischer Untersuchungen, dass Kultur ein Unterscheidungsmerkmal für soziale Differenzen darstellt, dessen Mechanismen unbewusst bleiben3. Demnach ist Geschmack das Ergebnis sozialer Konditionierung und damit abhängig von der jeweiligen sozialen Schicht, in der Menschen aufwachsen.

– Nationalitäten: Bekanntermaßen gibt es in anderen Ländern andere Geschmacksvorlieben. Das Schreiben mit dem Füller etwa ist in südeuropäischen Ländern eher als in Deutschland mit einem Design verbunden, das an traditionelle Schreibgeräte in Schwarz mit goldfarbenem Dekor und Goldfeder erinnert.

– Alter und Geschlecht: In jungen Jahren liebt man es eher bunter, in zunehmendem Alter mag man es dezent. Jeder kann solche Geschmackstendenzen in seinem Bekanntenkreis beobachten. Ebenso, dass Frauen nicht selten andere ästhetische Vorlieben haben als Männer.

– Gewöhnung: Die Ästhetik eines Produktes kann bei seiner Markteinführung so ungewohnt sein, dass die Neuheit erst einmal floppt. Als das Mikroauto „Smart“ 1994 eingeführt wurde, sorgte es mit seinem unkonventionellen und bunten Design für viel Aufsehen, jedoch für keinen kommerziellen Erfolg. Wegen der geringen Nachfrage mussten die Verkaufserwartungen immer weiter reduziert werden. Das Management erwog schließlich sogar die Einstellung der „Smart“-Produktion. Heute erfreut sich der Zweisitzer wachsender Beliebtheit. Er ist auch ästhetisch längst angenommen. Allerdings erleichterte das Unternehmen die Kaufentscheidung durch Preisreduzierung und vielseitigere Ausstattungsmöglichkeiten, z.B. eine dezente Farbpalette, die es bei der Markteinführung nicht gab.

Symbolische Funktionen (Zeigen)

Symbolische Funktionen [11] von Designobjekten beziehen sich auf den Menschen als Besitzer der Dinge und geben ihnen verschlüsselte Bedeutungen. Durch die Wahl seines Besitzes oder auch dadurch, welche Dinge er nicht besitzt, gibt der Mensch anderen fortwährend Zeichen, [12] die diese entschlüsseln. Auf der kulturellen Ebene verschreibt er sich bestimmten Traditionen und Ritualen (z.B. Art des Essens und Tischsitten). Auf sozialer Ebene geht es um Gruppenzugehörigkeit und um Status, und auf individueller Ebene um die Gefühlsbindung an Objekte. Design ist gewissermaßen eine von mehreren möglichen Sprachen, die über verschiedenste Lebensstile und –auffassungen Auskunft gegen können. Klare, sachliche Gestaltung zum Beispiel steht für Aufgeschlossenheit, Modernität und Fortschritt. Sie ist Zeichen eines Lebensgefühls, dem sein Besitzer Ausdruck verleiht. Diese Zeichen werden von den Mitmenschen entsprechend ihrer Erfahrungen interpretiert. Ändert sich das Lebensgefühl durch individuelle Faktoren (z.B. beruflicher Aufstieg) oder gesellschaftliche Veränderungen (z.B. wirtschaftliche oder politische Krisen), kann es dazu kommen, dass derjenige, der noch zuvor Puristisches bevorzugte, sich nun in eine andere ästhetische Richtung bewegt, sein Geschmack zum Beispiel experimenteller oder konservativer wird.

Symbolisch-soziale Funktion:

1966 brachte das kleine Familienunternehmen Lamy den „Lamy 2000“ heraus, ein Füller mit technischen Neuheiten. Innovativ die Materialkombination aus mattem Kunststoff plus gebürsteten Edelstahl. Der ganz aus Edelstahl gefertigte Clip war federgelagert, auch das ein technisches Novum. Im Vergleich zu damaligen Füllern fiel der „Lamy 2000“ jedoch vor allem durch sein ungewöhnlich schlichtes und kühles Design auf. Marktuntersuchungen ergaben, dass besonders Männer mittleren Alters mit Sinn für Understatement die klare Spindelform als Zeichen ihrer modernen und fortschrittlichen Lebensauffassung schätzten. Lamy hatte mit dem klaren Design seines neuen Produktes eine ästhetische wie symbolische Lücke geschlossen, denn Unternehmenschef Manfred Lamy hatte erkannt: „Produkte müssen sich auch eignen zur sozialen Identifikation und Kommunikation. Damit werden sie zu Symbolen der Selbstdarstellung – der realen und der vortäuschenden – und zu Erkennungszeichen der erwünschten sozialen Einstufung.“ Damit verweist Lamy auf das bei jedem Menschen mehr oder weniger bewusste Bedürfnis, innerhalb seiner Gruppe (Familie, Freunde, Geschäftspartner) anerkannt zu sein. Gruppenzugehörigkeit kann durch für die Gruppe typische Produkte symbolisiert werden (Statusprodukte). Außerdem tendiert der Mensch dazu, sich mit Produkten der nächst höheren Schicht zu umgeben (Prestigeprodukte). In den unterschiedlichen sozialen Gruppen geht die Meinung allerdings darüber auseinander, was prestigeträchtig ist (siehe Pierre Bourdieu). Die einen beurteilen z.B. diamantbesetzte Füllfederhalter mit üppigem Golddekor als vornehmkostbar und konservativ, andere wiederum als protzig-vulgär.

Symbolisch-kulturelle Funktion:

Mit dem was er besitzt und benutzt, ordnet sich der Mensch bewusst und unbewusst als kulturelles Wesen ein und dokumentiert gleichzeitig den jeweiligen Zeitgeist. Im Zuge der wachsenden Computerisierung beispielsweise wurde vor einigen Jahren das Schreiben mit dem Füller wieder entdeckt, vielleicht weil man befürchtete, das Jahrhunderte alte, handschriftliche Schreiben mit seinem individuellen Ausdruck würde mit der modernen Datenverarbeitung untergehen. Mit Füllern im traditionellen Design, oft federartig verlängert und mit Breitbandfeder, wiesen ihre Besitzer besonders deutlich auf ihr Traditionsbewusstsein über das kulturelle Erbe des Schreibens hin.

Symbolisch-individuelle Funktion:

Erbstücke, Sammlerobjekte, einst heiß geliebte Teddybären – viele unserer Gegenstände repräsentieren individuelle Erfahrungen und Erinnerungen, die wir dokumentieren wollen oder von denen wir uns zumindest nicht trennen können, weil eine persönliche Gefühlsbindung zwischen Mensch und Gegenstand besteht. Gleichzeitig haben wir das Bedürfnis, innerhalb unserer industriell geprägten Umwelt Individualität auch über Produkte zu erleben. Lamy kreierte nicht zuletzt die Schreibgeräte-Serie „accent“, um dem Bedürfnis nach einem möglichst persönlichen Industrieprodukt nachzukommen. Austauschbare Griffstücke im Baukastenprinzip sollen individuelle ästhetische Wahlmöglichkeiten bieten.